Darf ich keine NVA-Suppe und Pionier-Soljanka mehr essen, nur weil sie nach DDR schmecken?
Unser Autor meint: Diese Gerichte sind Geschmackssache. Aber man muss aus ihnen kein Politikum machen.

Mein innerer Suppenkasper hat sich gemeldet. So ein Typ wie der aus dem alten Kinderbuch „Struwwelpeter“, der immer wütend schrie: „Meine Suppe esse ich nicht! Nein, meine Suppe esse ich nicht!“ Mein Mäkelfritze tobt angesichts der aktuellen Diskussion um Konserven mit NVA-Feldsuppe und Pionier-Soljanka stattdessen: „Nein, diese Suppen esse ich nicht. Nein, ich darf diese Suppen überhaupt nicht essen, weil sie anrüchig nach DDR schmecken!“
Sicher, es ist Geschmacksache, ob man nun Gerichte, die schon in der DDR beliebt waren, ausgerechnet mit der NVA, mit Pionier-Bildern oder dem DDR-Staatswappen bewerben und verkaufen muss. Aber warum verharmlosen die Büchsen, die es übrigens schon seit Jahren gibt, nun plötzlich die SED-Diktatur, wie es die Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur findet und daher diese am liebsten aus dem Supermarkt verschwinden lassen will?
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Ich halte das alles für überzogen. Es wäre besser gewesen, die Stiftung hätte im Umfeld zum Gedenktag des Mauerbaus, in dem ja ihre die Büchsendiskussion aufkeimte, eher eine Straße für Peter Fechter in Berlin gefordert. Für einen jungen Mann, den DDR-Grenzer 1962 anschossen und im Todesstreifen verbluten ließen. Diesen Mord heute in der Öffentlichkeit bewusst vergessen zu lassen, wäre in der Tat eine Verharmlosung der SED-Diktatur.
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Suppen-Zoff: Kein Wunder, dass Ostdeutsche sich die DDR zurück wünschen
Die Suppen-Diskussion regt die Ostdeutschen auf. Ich wundere mich gar nicht mehr darüber, dass Menschen, die am 9. November 1989 überglücklich waren, als endlich die Mauer fiel, sich jetzt wieder die DDR zurückwünschen, weil man ihnen von anderer Seite ihr Leben in diesem auch schönen Land nach wie vor streitig machen will. Das darf nicht das Ziel der Aufarbeitung der DDR-Geschichte sein.
Diesen Staat mit Mauer, Stasi und NVA möchte ich persönlich nicht zurückhaben. Auf die Pionierzeit, zu der auch militärische Manöver-Spiele gehörten, kann ich ebenfalls dankend verzichten. Aber ich möchte auch nicht, dass Menschen verdächtigt werden, dass Regime in diesem nicht mehr existierendem Land hochzujubeln, nur weil sie Suppen konsumieren, auf denen DDR-Symbole zu sehen sind.

Das Staatswappen mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz steht nicht nur für Mauertote und Stasi-Willkür. Es steht auch für die guten Erinnerungen der Menschen an diesem Land.

Ärger um DDR-Suppen: Darf ich noch die Puhdys hören?
Soll ich mich jetzt dafür schämen, dass ich mich gefreut habe, dass Sportler mit DDR-Wappen auf den Trikots bei den Olympischen Spielen erfolgreich waren? Oder muss ich jetzt die Puhdys und Helga Hahnemann dafür nachträglich verteufeln, weil sie den DDR-Nationalpreis verliehen bekamen? Darf ich überhaupt noch den Bautz’ner Senf essen, weil in dieser Region ein Knast stand, in dem zu DDR-Zeiten die politischen Gefangenen weggesperrt wurden?
Zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte gehören viele Dinge, die man nicht vergessen darf. Aber wer Menschen dabei bevormundet und Verbote ausspricht, ist auch nicht besser als das DDR-Regime. Eine Suppe, die so ein Geschmäckle hat, will ich erst gar nicht auslöffeln.
Norbert Koch-Klaucke schreibt im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
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