Als Charles III. noch ein Prinz war, besuchte er am 13. November 1995 die  Hellersdorfer Familie Kunz.
Als Charles III. noch ein Prinz war, besuchte er am 13. November 1995 die Hellersdorfer Familie Kunz. picture-alliance/dpa

Ich glaube, wir Ostdeutschen haben es nicht so mit der Monarchie. Sicher, der Tod von Queen Elizabeth II. hat uns alle bewegt. In Berlin, in Potsdam, in Dresden, überall dort, wo die Königin zu Lebzeiten einmal zu Gast war, wurde um sie zunächst getrauert. Doch nun ist man zur Tagesordnung übergegangen. Und dass ihr Sohn Charles endlich König wurde, sorgt bei uns auch nicht für Gefühlsausbrüche. Oder sollte ich mich da irren?

Lesen Sie auch: Harry darf doch Uniform tragen – die Enkel der Queen bei der Totenwache für ihre „Granny “>>

Lesen Sie auch: Neue Serie: Traumschiff bei RTL –„Der Schiffsarzt“ sticht in See>>

Denn eigentlich müssten sich ja so einige im Osten darüber freuen und mächtig stolz sein, dass der ewige Thronfolger nun auf dem Thron sitzt. Schon aus persönlichen Gründen. Daher rief ich bei Herbert Kunz (70) an. Der nun in Brandenburg lebende Berliner hatte mit seiner Familie vor 27 Jahren den heutigen König in seinem Wohnzimmer auf der Couch zu sitzen.

Alle KURIER-Kolumnen finden Sie auf unserer Kolumnen-Seite! >>

Vielleicht erinnern Sie sich: Als Charles III. noch ein Prinz war, besuchte er am 13. November 1995 Berlin. Der royale Städtebau- und Natur-Fan kam nach Hellersdorf in das Plattenbau-Viertel an der Ernst-Bloch-Straße, um sechs Jahre nach dem Mauerfall zu sehen, wie die Menschen im Osten Berlins eigentlich leben. Die Aufregung war groß im Kiez. Auch bei Familie Kunz, die damals in einem der Elfgeschosser wohnte. Zwei Wochen zuvor hatte sie erfahren, dass Charles zu ihnen kommt. „Das wir erwählt wurden, war purer Zufall“, erinnert sich Herbert Kunz heute.

Lesen Sie auch: Prophezeiung von Nostradamus: König Charles wird schon bald abdanken – und ER wird sein Nachfolger!>>

Um sechs Uhr war an jenem Tag die Familie schon auf den Beinen. Im Haus waren bereits Sicherheitsleute unterwegs, als Frau Eva-Maria Kunz zum Friseur ging, ostdeutsche Obstsäfte und Rotkäppchen-Sekt für den hohen Gast einkaufte. Nur das Mon Chéri kam aus dem Westen.

Lesen Sie auch: Darf ich keine NVA-Suppe und Pionier-Soljanka mehr essen, nur weil sie nach DDR schmecken?>>

Man merkt am Telefon – die Aufregung von damals ist bei Herbert Kunz heute verblasst. „Ehrlich, ich bin kein Fan der Royals“, sagt er. Natürlich haben er und seine Frau die Nachrichten um den Tod der Queen verfolgt und auch,  wer nun auf ihrem Thron folgt. „Mein Sohn sagte scherzhaft: ,Papa, dein Kumpel ist jetzt König!‘“

Familie Kunze in ihrem neuen Domizil: Eva -Maria und ihr Mann Herbert sehen sich mit Sohn Christian die alten Zeitungsberichte an, als Prinz Charles in Hellersdorf ihr Gast war.
Familie Kunze in ihrem neuen Domizil: Eva -Maria und ihr Mann Herbert sehen sich mit Sohn Christian die alten Zeitungsberichte an, als Prinz Charles in Hellersdorf ihr Gast war. Bernd Friedel

Charles besuchte den Osten: 13 Minuten bei Familie Kunz - nur eine Notiz in der Geschichte?

Wie Charles vor 27 Jahren bei ihm, seiner Frau und dem damals siebenjährigen Sohn Christian im Wohnzimmer saß, ist nach Meinung von  Herbert Kunz heute nur noch eine „Notiz in der Geschichte“. „Natürlich ist es für uns noch immer etwas Besonderes, dass Charles bei uns war. Wer kann schon so etwas von sich sagen. Aber es hat unser Leben nicht verändert, bis auf die Tatsache, dass wir schon lange nicht mehr in Hellersdorf wohnen.“

Lesen Sie auch: Karl May und Winnetou verpönt wie im Osten – aber in der DDR durfte man wenigstens noch „Indianer“ sagen>>

13 Minuten dauerte der Charles-Besuch. Punkt 15 Uhr klingelte damals der Prinz an der Tür der Familie Kunz. Mit ihm kamen ein Dolmetscher, der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und Journalisten. „Der Prinz gab sich ganz locker, war sehr an unserem Leben interessiert“, erzählte mir Eva-Maria Kunz, als im Mai 2019 Charles wieder Berlin besuchte. Und sie würde sich gern auf ein Wiedersehen freuen. „Ich würde ihm als Pflanzenliebhaber unseren Garten, den wir nun haben und die schönen Schlösser in unserer brandenburgischen Nachbarschaft zeigen.“

„Ach, wer weiß, ob sich Charles III. überhaupt noch an uns erinnert“, sagt nun ihr Mann drei Jahre später am Telefon zu mir, während seine Frau gerade einkaufen ist. „Außerdem hat er nun ganz andere Sorgen. Sein Königreich bröckelt.“ Und auch die Menschen im Osten hätten jetzt ganz andere Probleme, als einen Monarchen zu empfangen.

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com