Es war wie früher: Warum alte Freundschaften ewig jung halten

Wenn man sich seit Kindertagen kennt, ist eine ganz besondere Vertrautheit da, findet unsere Kolumnistin. 

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Vor 40 Jahren: Eine Freundschaft beginnt.
Vor 40 Jahren: Eine Freundschaft beginnt.Imago/Frank Sorge

Liebe Leserin und lieber Leser,

haben Sie auch eine Freundschaft aus der Kinder- oder Schulzeit, die eigentlich das ganze Leben hält?

„Freundschaft, das ist wie Heimat.“ Der treffliche Satz von Kurt Tucholsky kam mir in den Sinn, als ich mich am Sonntagabend auf dem Bahnhof von meiner Freundin Katherine verabschiedete. Dahinter steckt eine Geschichte. Ich erzähle sie mal der Reihe nach. Im späten vergangenen Frühjahr erhielt ich eine Einladung, mit meiner alten Schulklasse zu feiern, dass wir vor 40 Jahren alle das Abitur geschafft hatten. Ich entschied mich dagegen: zu weit, zu viel zu tun, zu ungewiss, ob das hält, was es verspricht. Ich entschuldigte mich mit dem Satz, dass ich in zehn Jahren zum 50. Jubiläum sicherlich mehr Zeit haben werde.

Der Sommer ging ins Land, ich hatte das alles längst abgehakt und mich dem Alltag ergeben. Da erhielt ich über die viel gescholtenen sozialen Medien eine Nachricht von Katherine. Sie hieß jetzt anders als in Schulzeiten, aber bei der Schreibweise des Vornamens blieb kein Zweifel: meine alte Schulfreundin.

Und plötzlich waren so viele Bilder in meinem Kopf: die langen heißen Sommer am See, das gemeinsame Durchstreifen des Waldes, die getauschten Kleider, der erste Liebeskummer, die vielen Ermahnungen wegen ständigen Schwatzens im Unterricht, die geteilten Geheimnisse und ehrgeizigen Lebenspläne. Irgendwann verloren wir uns in unseren 20ern aus den Augen. Ich habe das immer sehr bedauert, aber auch nichts zur Wiederbelebung des Kontaktes unternommen.

Nach einer Ewigkeit wiedergefunden, aber Vertrautheit wie in Kindertagen

Nun hatten wir uns gefunden, freuten uns beide und vereinbarten umgehend, das auch persönlich zu tun. Natürlich vergingen Wochen, aber letztes Wochenende holte ich Katherine vom Zug ab. Ich habe heute das Gefühl, dass wir 48 Stunden nonstop geredet haben. Die Pläne, ihr Berlin zu zeigen, fielen unserem Wunsch, uns alles zu erzählen, zum Opfer. In Windeseile war die alte Vertrautheit wieder da. Es gab kein Nachdenken, ob wir Erlebnisse und Gedanken unter den Tisch fallen lassen, es sprudelte aus uns heraus. Wir waren noch einmal Kinder, wurden erwachsen und zu reifen Frauen.

Die Sozialforscher beschäftigen sich schon seit längerem mit dem Thema Freundschaft. Sie haben herausgefunden, dass uns frühe Freundschaften prägen und wir die meisten Freundschaften bis zum Alter von etwa 25 Jahren schließen. Wenn man älter wird, fällt es meist schwerer, aus Bekanntschaften Freundschaften zu entwickeln. Doch gerade in der Zeit, in der wir die aktive Familienphase hinter uns haben und die Kinder ihren eigenen Weg gehen, sind gute Freundinnen und Freunde wichtig für unsere Zufriedenheit.

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Katherine und ich haben natürlich gleich am Montag telefoniert und ein Besuchstermin bei ihr steht längst fest. Wir werden nun diesen Schatz hegen und pflegen, denn „Freundschaft, das ist wie Heimat“.

Ihre Sabine Stickforth

KURIER-Autorin Sabine Stickforth schreibt jeden Dienstag über das Leben über 50 in Berlin.
Anregungen an wirvonhier@berlinerverlag.com.