KURIER-Kolumne: Wir von hier

Ekelfund im Lavendelbusch: Warum tun Berliner ihrer Stadt so etwas an

Unsere Autorin freut sich über alle, die sich in der Stadt für etwas weniger Müll einsetzen.

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Wer kennt so einen Anblick nicht - eine verdreckte Baumscheibe in Wedding. In Berlin wird kleiner und großer Müll wild entsorgt, scheinbar egal, wo man gerade geht oder steht. (Archivfoto)
Wer kennt so einen Anblick nicht - eine verdreckte Baumscheibe in Wedding. In Berlin wird kleiner und großer Müll wild entsorgt, scheinbar egal, wo man gerade geht oder steht. (Archivfoto)Hartmut Müller-Stauffenberg/imago

In Berlin-Friedrichshain hat eine meiner Freundinnen einen kleinen Laden. Als sie ihn vor einigen Jahren bezog, pflanzte sie vor dem Eingang zum Geschäft drei Lavendelbüsche in Betonkübel. Dazwischen stellte sie eine Holzbank. Es sah einladend aus. Die Verschönerung tat auch dem gewaltigen Mietshaus mit der schlichten Fassade gut. Die Bank gibt es nicht mehr, die inzwischen zu prächtigen Sträuchen herangewachsenen Lavendel verschwinden wahrscheinlich auch bald. Die Gründe dafür finde ich beschämend.

An die Lavendelbüsche pinkeln regelmäßig Hunde. Daneben legen sie ihre Haufen. Kleine und auch unvorstellbar große. Fast in jeder Nacht landen Flaschen zwischen den Lavendelblüten. Die Bank hat meine Freundin schon weggeräumt, nachdem sie an vielen Morgen die Überreste von Besäufnissen rund um das Holzmöbel entsorgt hat. Und das in einer ganz normalen Straße jenseits der Partymeilen.   

Leergut und Unrat an jedem Morgen

Noch immer findet sie regelmäßig eine Menge Leergut am Morgen vor ihrer Eingangstür. Oder in den Büschen. Gern auch zersplittert. Fast jeden Morgen räumte meine Freundin weiter unermüdlich auf. Doch jetzt reicht es ihr. "Ich habe ja schon vieles gesehen, aber das hätte ich bisher für unmöglich gehalten, es übersteigt meine Vorstellungskraft." Der Grund für ihre Entrüstung: Sie fand vor wenigen Tagen viele benutzte Ohrstäbchen in den Büschen. Mit spitzen Fingern in Latexhandschuhen befreite sie den Lavendel von dem Ekelfund. "Wer putzt sich bitte die Ohren auf der Straße", schimpft meine Freundin. Ich mutmaße, dass sie jemand aus einem Fenster des Hauses einfach so auf die Straße geworfen hat. Und denke mir so, dass das selbst in den Gassen des finsteren Mittelalters wahrscheinlich schon strafbewehrt gewesen wäre. 

Ein prächtiger Lavendelbusch blüht vor einem Laden in Friedrichshain. Jeden Morgen muss er von Unrat und manchmal auch Ekelfunden befreit werden.  
Ein prächtiger Lavendelbusch blüht vor einem Laden in Friedrichshain. Jeden Morgen muss er von Unrat und manchmal auch Ekelfunden befreit werden. privat/zVg

So wie es meiner Freundin mit ihren Lavendelbüschen erlebt, geht es wahrscheinlich Tausenden in dieser Stadt. Sie kümmern sich  um die Bepflanzung einer Baumscheibe,  heben Unrat auf, wenn er ihnen entgegenweht oder sammeln bei freiwilligen Einsätzen Müll im Park bei ihnen um die Ecke.

Es können nicht nur Partytouristen für den Müll verantwortlich sein

Und dann gibt es die anderen, denen alles egal ist, die was sie nicht mehr brauchen dort fallen lassen, wo sie gerade gehen und stehen. Es können nicht nur erlebnisorientierte Partytouristen sein, die dafür die Verantwortung tragen. Ich glaube auch nicht, dass etwa vermehrte Einsätze der Ordnungsämter in Parks, wie in der vergangenen Woche geschehen, dem Müll in der Stadt den Garaus machen werden.

Es geht wohl eher auch um das Gefühl, das Stadtbürger für ihr Umfeld haben. Wenn Gleichgültigkeit einzieht, haben wir alle verloren. Auch ein schnoddriges: "Dit is Berlin!" finde ich an dieser Stelle unpassend. Denn es geht darum, ob wir uns in unserer Stadt wohlfühlen, uns etwas für sie verantwortlich fühlen - jenseits jedes Politikerversprechens. 

An einer Ecke der Straße mit dem Laden meiner Freundin entdecke ich wenig später ein kleines blühendes Blumenbeet. Mit kleinen Zäunen ist es von den Gehwegplatten und der Fahrbahn abgeschirmt. Zwei der Zäunchen sind eindeutig kraftvoll eingetreten. Ich hoffe dennoch, dass der unbekannte Hobbygärtner nicht aufgibt.

Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com