Ein Fernseher so groß wie mein Bett? Diesen Trend werde ich nie verstehen
In den letzten Jahren hat sich bei TV-Geräten nicht mehr viel getan, sie wurden einfach nur größer.

Was glauben Sie, wie viele Fernseher in Deutschland pro Jahr verkauft werden? Ich sage es Ihnen: Im Jahr 2021 waren es knapp 5,8 Millionen. Eine riesige Anzahl, die noch immer deutlich unter den Marken der Vorjahre liegt. Umgerechnet auf die 41 Millionen Haushalte in Deutschland kommt also statistisch gesehen spätestens alle sechs Jahre ein neues TV-Gerät ins Haus. Und ich frage mich wieso?
Um das Jahr 2010 machte die Technik einen Sprung
Natürlich: Ich gucke selbst gerne Fernsehen und würde niemanden dafür verurteilen, dass er (wie ich übrigens auch) einen Fernseher in der Wohnung stehen hat. Auch dass um das Jahr 2010 herum der Absatz für Fernseher rasant anstieg, kann ich absolut verstehen. Es hieß: Weg mit der Röhre, her mit dem scharfen Bild, Schluss mit analogem Empfang.
Wer das TV-Bild von heute mit dem der 1990er und frühen 2000er Jahre vergleicht, muss sich an den Kopf fassen und fragen: Dieses Bild habe ich einmal akzeptiert und gut gefunden? Die Technik schritt voran und wer davon profitieren wollte, brauchte ein neues Gerät.

So weit, so gut. Doch auch in den letzten Jahren blieb der Absatz an TV-Geräten hoch, 2021 wurden erstmals seit 2007 weniger als 6 Millionen Fernseher im Jahr gekauft, zuletzt aber ohne die großen technischen Neuerungen, die es Ende der Nullerjahre gegeben hatte. Betrat man Elektronikmärkte oder schlug Prospekte auf, schien die einzige Entwicklung zu sein, noch größere Geräte zu bauen.
Der Fernseher des Nachbarn war fast so groß wie mein Bett
Neulich betrat ich dann die Wohnung eines gerade frisch eingezogenen Nachbarn, weil ich ihm beim Tragen helfen musste – und wurde dann vom Anblick fast erschlagen: Im Wohnzimmer stand ein Fernseher, der fast so groß war wie mein Bett. Warum ich das so genau weiß? Ich habe das Gerät so lange angestarrt, bis wir unweigerlich darüber ins Gespräch gekommen sind und anschließend ein Gliedermaß geholt haben, um meine Annahme zu verifizieren.
Der Fernseher war fast 1,90 Meter breit, mein Bett ist etwas über 2 Meter lang. Zudem war das TV-Gerät mit 1,05 Metern Höhe nur 35 Zentimeter schmaler als mein Bett. Meine zugegebenermaßen übergriffige Frage, ob er auch manchmal ein Nickerchen darauf mache, ignorierte er dankenswerterweise.
Verstanden habe ich es trotzdem nicht. Warum werden in Deutschland immer noch jedes Jahr mehrere Millionen von TV-Geräten gekauft, die teilweise so riesig sind wie Betten? Was passiert mit den alten Geräten? Denn wenn 6 Millionen Fernseher im Jahr gekauft werden, müssen auch ungefähr 6 Millionen Fernseher im Jahr aussortiert werden – oder aber es muss Haushalte geben, in denen in jedem Zimmer ein Gerät steht, selbst im Bad.
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Vielleicht ist das ein Erklärungsansatz: Die Marktwirtschaft kann nur funktionieren, wenn immerzu konsumiert wird. Auch dann, wenn es eigentlich keinen Sinn ergibt, der neue Fernseher gar nicht besser, sondern nur größer ist und deshalb vielleicht sogar schlechter in die Wohnung passt.
Gegenüber den Unternehmen, die Fernseher verkaufen, ist der ständige Kauf neuer Geräte ganz sicher ein ehrenwertes Verhalten. Ob das für einen selbst aber die beste Lösung ist, sei dahingestellt.
Domescu Möller schreibt jeden Donnerstag im KURIER über die Welt des Fernsehens.
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