Eine Frau sitzt vor ihrem Laptop.
Eine Frau sitzt vor ihrem Laptop. imago/shotshop

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

sind sie zu Hause schon so richtig digitalisiert? Und verstehen Sie das alles auch? Ich gebe zu, dass ich mit dem Verstehen und dann richtig anwenden öfter mal auf Kriegsfuß stehe. Mein Mann als ehemaliger ITler hat das digitale Kommando. Bei uns ist alles mögliche digitalisiert: das Telefon, der Fernseher, das Radio, die PCs sowie Tablets, die Türsprechanlage, die Armbanduhr als Smartwatch, die Kaffeemaschine und der Staubsauger, der sich morgens allein auf den Weg durch die Zimmer macht und fleißig Hundehaare aufsaugt. Das ist echt schön, als Hausfrau mit so einem allein funktionierenden Staubsauger.

Trotz oder wegen Digitalisierung: Der Weg zur Lieblingsmusik ist lang

Aber gestern bin ich an einer Sache wieder schier verzweifelt. Im Feierabend wollte ich nach längerer Zeit gern mal  meine Lieblingssongs hören. Bei einem sogenannten Streamingdienst habe ich mir über einen mehrjährigen Zeitraum eine Liste mit Lieblingsliedern gesammelt und angelegt. Diese Liste ist auch auf meinem Smartphone/Handy gespeichert, so das ich meine Musik überall hören kann, wann und wo ich es möchte. (Natürlich mit Kopfhörern, die mit meinem Handy vernetzt sind.)

Aber zu Hause find ich oft den Weg nicht zu meinen musikalischen Vorlieben. Das liegt auch daran, dass bei uns jeder seinen eigenen Streamingdienst hat und für mich der Weg zum digitalen Musikgenus immer irgendwie verstellt ist, wenn jemand anderes seine Musik vor mir gehört hat. Und tatsächlich, es wird stets komplizierter, je mehr Möglichkeiten es gibt.

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Diese ältere Dame amüsiert sich über eine Nachricht, die sie auf ihrem Laptop erhält.
Diese ältere Dame amüsiert sich über eine Nachricht, die sie auf ihrem Laptop erhält. imago/Westend61

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Mein Weg zu meiner Musik ist unfassbar lang: Erstmal sich in das eigene Handy einloggen, dann die App Soundtouch klicken (ein kleines Programm auf  meinem Smartphone, das der digitale Commander für gut befunden hat und deshalb auf mein Handy lud). Soundtouch aktiviert nun die WLAN-Lautsprecher. Und dann wird es schon schwierig, weil die Lautsprecher in verschiedenen Zimmern unterschiedliche Namen haben.

Ich muss wieder wählen. Höre ich in der Küche beim Kochen? Oder im Arbeitszimmer beim Aufräumen? Es empfiehlt sich die Namen oder Nummern der Lautsprecher zu kennen. Die Digitalisierung soll angeblich ja alles einfacher machen, ich finde allerdings, dass es stets komplizierter wird, je mehr ich mir merken muss. Nun auch noch die Namen von Lautsprechern! Als nächstes habe ich dann auf meinem Handy meinen Streamingdienst zu suchen und anklicken. Dann die Liste mit meinen Lieblingstiteln finden und anklicken. Und dann klappt es hoffentlich, sobald das Handy genug Ladung hat.

Digital ist der Weg zur Lieblingsmusik lang, mit dem Küchenradio geht es schneller

Ich finde den gesamten Vorgang echt mühselig. Und lobe mir mein kleines altes Küchenradio, wo ich nur den An- und Ausknopf betätigen muss. Die Sender finde ich über ein Rad, welches ich drehen kann. Aber Gottseidank ist mein Lieblingssender sowieso schon eingestellt.

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Die helle Wut packt mich aber sofort, wenn ich nur an unseren Fernseher denke. Zwei Fernbedienungen, eine für den Fernseher, (an oder aus), die andere für den Receiver (Empfänger und Verstärker, der das Fernsehbild und Ton steuert).  Unendlich viele Köpfe, die zu drücken sind, wenn ich am Sonntag Abend den „Tatort“ im Ersten sehen möchte. Mein Mann nachmittags allerdings auf Sky Fußball geguckt hat. Ebenso meine Tochter, die bevorzugt natürlich Netflix für ihre Harry Potter Filme. Auch da ist anschließend alles verstellt und ich finde nur beschwerlich den Weg zurück zur ARD zum „Tatort“.

Alles, was ich mit meinen fünf Sinnen wahrnehmen kann, erscheint mir logisch und das verstehe ich. Bits und Bytes, die Grundeinheit der Digitalisierung ist schwer zu begreifen. Warum kann man das nicht wie ein Kochbuchrezept einfach erklären?

Mit der Digitalisierung Schritt halten: Das können wir als ältere Menschen tun

Nur ein Drittel der Menschen in Deutschland, die über 65 Jahre alt sind, gehen laut IT-Verband Bitkom regelmäßig ins Internet. Es sind zu viele, die die neue moderne Welt nicht mehr verstehen. Ich glaube, dass der Graben zwischen Jung und Alt noch nie so tief gewesen ist, wie durch die Digitalisierung unserer Lebenswelt. Das stelle ich auch bei meinen Kindern und mir fest, die wissen einfach intuitiv, wann sie einmal klicken oder einen Doppelklick machen müssen. Die huschen superschnell über ihre Tabletts. Wir Ältere sollten daher unter uns in Seniorenclubs oder der Volkshochschule uns gegenseitig Computerwissen und Internetnutzung vermitteln.

Ein gute Zeit wünscht
Sabine Stickforth

Sabine Stickforth schreibt jeden Dienstag im KURIER über das Leben über 50 in Berlin.
Anregungen an wirvonhier@berlinerverlag.com.