Der verstörende Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen: Warum wir in diesen schwierigen Zeiten mehr Wunder brauchen
Das Osterfest steht bevor, doch angesichts der Lage bleibt kaum Grund zu viel Freude, meint unsere Autorin.

Wir verreisen endlich wieder. Corona hin, Weltlage her – viele Menschen nutzen die Osterferien zu langersehnten Touren in die Ferne. Sich windende Warteschlangen am Hauptstadtflughafen BER zeugten an den vergangenen Tagen bereits davon. Mitglieder unserer weitverzweigten Familie zieht es nicht so weit fort, sie machen an vorösterlichen Tagen einen Ausflug in einen relativ nahe gelegenen Ort. Sie besuchen die Neiße-Stadt Görlitz – etwa 200 Kilometer von Berlin entfernt. Am liebsten würde ich mitfahren.
Denn das sächsische Görlitz kann außer auf eine große Geschichte und die Aufnahme vieler ukrainischer Flüchtlinge auch auf ein echtes Wunder verweisen.
Seit 1995 überwies ein unbekannter Gönner der Stadt jedes Jahr eine Million Mark. Gedacht war das Geld für die Sanierung und Erhalt der Kulturdenkmale. Bis 2016 kam jährlich ein Scheck, der sich mit Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung dann auf jeweils etwa 500.000 Euro belief. Bis heute ist der Wohltäter unerkannt – so, wie er oder sie es wünschte. In der Altstadt aber zeugen prächtig restaurierte Bauten davon, was mit dieser Großzügigkeit erreicht wurde.
Die Lage angesichts des Kriegs in der Ukraine bleibt verstörend
Solche Wunder könnten wir gerade dieser Tage auch anderswo im Lande brauchen. Denn die Lage angesichts des Kriegs in der Ukraine und dessen Auswirkungen auf Europa bleibt verstörend. Ich spüre das besonders mit Blick auf die bevorstehenden Feiertage, denn diese sollten ja laut christlicher Tradition ab Ostersonntag eine Freudenzeit sein.
Doch beim Betrachten der Nachrichten bleibt kaum Grund zu wie auch immer gearteter Freude. Viele Menschen sterben in der Ukraine, es gibt Berichte über Gräueltaten und Kriegsverbrechen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba warb bei der Nato in Brüssel um deutlich mehr Waffen für sein Land. „Die Schlacht um den Donbass wird euch an den Zweiten Weltkrieg erinnern, mit großen Operationen, Tausenden Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, Flugzeugen und Artillerie“, sagte er.
Unterdessen wurde in meinem brandenburgischen Geburtsort wieder mal explosives Erbe, vermutlich zwei Bomben, aus eben diesem Zweiten Weltkrieg gefunden. Was damit passieren soll, ist derzeit noch unklar. Um die Anwohner vor eventuellen Detonationen zu schützen, wurde an einer lieblichen Havel-Aue eine riesige blaue Splitterschutzmauer aus Überseecontainern errichtet. Als ich sie betrachte, denke ich an die Menschen in der Ukraine, denen niemand einen Schutzwall vor den russischen Bomben bauen kann.

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Um den erbarmungslos agierenden Kriegsherrn Wladimir Putin zu schwächen oder wenigstens empfindlich zu treffen, versucht Deutschland auch, ein Ausstiegsszenario aus russischem Gas und Öl zu entwickeln. Schnell soll es gehen. Wer Wirtschaftsminister Robert Habeck bei Fernsehinterviews zum Thema sieht, ahnt, welche Anstrengungen das bedeutet. Ausgang offen. Ich kenne Leute, die angesichts dieser Debatte darüber nachdenken, ob nicht doch noch ein Ofen oder Kamin in ihre vollgestellte Altbauwohnung passt. Sicher ist sicher.
Niemand kann der Zeitenwende entrinnen
Die Zeitenwende erfasst uns alle. Niemand kann ihr entrinnen. Nicht im Supermarkt, nicht an der Tankstelle und auch mit dem Herzen nicht. Lösungen, die alle zufriedenstellen, werden kaum zu finden sein. Und Wunder, wie das von Görlitz, gibt es leider viel zu wenige. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen friedliche Ostertage.
Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten. Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com