Der Osten blüht auf – in Potsdam kann man es sehen
Am Rande der Brandenburger Metropole befindet sich eine einstige DDR-Plattenbausiedlung, die sich in eine bunte Gartenstadt verwandelt hat.

Ich finde, man muss auch einmal zugeben, dass nicht alles schlecht war, was uns der Westen kurz nach der deutschen Wiedervereinigung auftischte. Nehmen wir da den damaligen Helmut-Kohl-Spruch von den blühenden Landschaften, die es im Osten geben sollte. Gut, der dämliche Satz liegt uns Ostdeutschen zu Recht noch schwer im Magen. Denn von blühenden Landschaften ist so mancherorts noch immer nichts zu sehen. Aber es gibt sie – zum Beispiel in Potsdam.
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Vor kurzem war ich wieder in Brandenburgs Landeshauptstadt unterwegs. Es muss ja nicht immer Sanssouci sein, daher begab ich mich an den Rand von Potsdam nach Drewitz, in einer Ecke abseits von Filmpark und Filmstudios, wohin sich kaum ein Tourist verirrt. Sollten sie aber – es lohnt sich. Denn in Drewitz kann man die berühmten blühenden Ostlandschaften in einem Neubaugebiet bewundern.

Die Rede ist von der Konrad-Wolf-Allee. Benannt nach dem berühmten Defa-Regisseur und Bruder des Stasi-Top-Spions Markus Wolf entstand dort Ende der 80er-Jahre eine der letzten Plattenbausiedlungen der DDR.
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Ich staune, was ich da zu sehen bekomme. Statt in einer typischen grauen DDR-Neubauwüste befinde ich mich in einer blühenden Gartenstadt, in der vom Großstadtlärm kaum etwas zu spüren ist. Denn wo mitten in der Allee eigentlich der Autoverkehr langdonnern müsste, liegt ein breiter, lang gezogener Park vor mir.
Kirschbäume zeigen ihre Blütenpracht, in Kiefern, Ahornbäumen und Lärchen zwitschern die Vögel. Dazwischen locken Pflanzenrabatten mit ihren Farbtupfern und Rasenflächen im satten Grün so manche schon Pollen sammelnde Hummel an.

Blühender Osten: Aus einer tristen DDR-Plattenbausiedlung wurde eine bunte Gartenstadt
Der Park ist ein Ort zum Wohlfühlen. Für die großen und auch kleinen Anwohner – für Letztere gibt es Spielplätze und einen Springbrunnen, der bestimmt schön aussieht, wenn er dann mal läuft. Sogar ein Café hat der Park, der die Besucher zum Verweilen einlädt.
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Ich setzte mich auf eine Bank, mustere die fünfstöckigen Häuser, die den Park am Rande säumen. Ihren einstigen tristen Plattenbaucharme haben die Gebäude verloren, in denen über 5000 Menschen in etwa 3000 Wohnungen leben. Für mehrere Millionen Euro wurden sie saniert, bunte Platten schmücken nun die Fassaden. Andere erstrahlen im hellen Weiß, auf denen die berühmten Filmtitel von Konrad Wolf wie „Solo Sunny“, „Ich war neunzehn“ oder „Der geteilte Himmel“ zu lesen sind.

Vor noch über zehn Jahren sah das alles hier ganz anders aus, erzählt mit ein Anwohner, den ich treffe. Grau in grau war die Gegend – und laut. Dort, wo nun der Park steht, verlief einst die mehrspurige Konrad-Wolf-Allee mit lärmendem Autoverkehr.
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Von den Fahrbahnen ist pro Straßenseite jeweils nur noch eine geblieben, über die die Autos nur noch mit Tempo 30 schleichen. Einige erhobene Stellen verhindern, dass Raser doch mal richtig Gas geben. Die einstigen monströsen Parkplätze vor den Häusern sind verschwunden. Geblieben sind die Gleise der Allee, die nun am Rande des Parks liegen und auf denen die Straßenbahn die Anwohner ins Potsdamer Zentrum bringt.

2009 hatte die Stadt Potsdam mit Architekten und der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Pro Potsdam die Idee, die Siedlung in eine Gartenstadt zu verwandeln. Ein paar Jahre später begann der Umbau. Das Ergebnis gilt als städtebauliches Vorzeigewerk der Bundesregierung, wurde mit Preisen überhäuft. Ja, die aufblühenden Landschaften im Osten gibt es, sogar an Orten, wo man sie gar nicht vermutet hätte.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
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