Kolumne „Wir im Netz“

Der KURIER-Selbstversuch bei Bob Dylan: Ein Konzert ganz ohne Handys

Mit der Ankündigung, auf seinen Konzerten Handys zu verbieten, sorgte Bob Dylan für viel Gesprächsstoff. Sind Konzerte ohne Handys wirklich besser?

Author - Jana Hollstein
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Bei vielen Konzerten sieht man heutzutage den Künstler vor lauter Smartphones nicht.
Bei vielen Konzerten sieht man heutzutage den Künstler vor lauter Smartphones nicht.Addictive Stock/imago

Sie sind DAS Aufreger-Thema bei fast jedem Konzert: Die vielen Menschen, die die Show nur durch den Bildschirm ihres Smartphones erleben und dabei auch noch allen anderen die freie Sicht auf die Bühne versperren. Kein Wunder also, dass die Ankündigung von Bob Dylan, Handys auf seinen Konzerten zu verbieten, von vielen begeistert aufgenommen wurde. Aber war das wirklich so toll, wie es sich anhört?

Ohne Handy bei Bob Dylan genießt es sich entspannter

Vielleicht das Wichtigste vorweg: Für das Erlebnis des Konzerts selbst war die Regelung wirklich wunderbar. Nicht nur hatte man keine durch Smartphones versperrte Sicht, sondern man hatte auch das Gefühl, dass jeder einzelne der 4500 Menschen im Saal wirklich geistig anwesend war. Da öffnete niemand Instagram, um das eben gefilmte Video sofort mit den Followern zu teilen. Oder surfte im Internet, weil das Lied, das gespielt wurde, gerade kein persönlicher Favorit war.

Auf der anderen Seite habe ich mir auch gedacht, als ich mich so im Publikum umgeguckt habe: Sind das unbedingt die Art von Fans, denen man das extra vorschreiben muss? Wir sind hier schließlich nicht bei einem Taylor-Swift-Konzert, wo wohl jeder der Anwesenden ein aktives Instagram-Profil hat. Ich glaube, ich lehne mich nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass selbst ohne Handyverbot bei diesem Konzert wohl nur vereinzelte Smartphones zu sehen gewesen wären.

Das hängt aber auch damit zusammen, dass es einfach nicht sonderlich viel zu filmen gab. Der Herr der Stunde saß für den Großteil des Auftritts hinter seinem Piano, den Blick nach unten gewandt. Publikumsinteraktionen? Fehlanzeige. Kein „Hallo“, kein „Tschüss“, erst recht keine einführenden Worte zum nächsten Lied (die Berliner sind das von ihm ja gewohnt). Aber ich weiß auch, sowas hält die hartgesottenen Smartphone-Filmer nicht unbedingt auf.

Bob Dylan ist kein Fan von Handys.
Bob Dylan ist kein Fan von Handys.Newscom/El Pais/imago

Schwierig wurde es bevor Bob Dylan auf die Bühne kam

Kompliziert wurde das Handyverbot eigentlich nur in der Zeit vor dem Konzert. Ich war schon kurz nach dem Einlass um 18.30 Uhr vor Ort – viel zu früh. Und so musste ich mir anderthalb Stunden lang die Zeit vertreiben. Ohne Handy, denn das wurde sofort am Eingang in eine Tasche gesteckt, die ich nicht eigenständig öffnen konnte.

Dabei ist mir aufgefallen, wie sehr unsere Gesellschaft von Smartphones abhängig ist, ohne dass wir uns dessen vielleicht wirklich bewusst sind. Ich hatte zum Beispiel keine Uhr um, mein Handy reicht ja für gewöhnlich. Nur hängen in der Uber Eats Music Hall auch keine Uhren an der Wand – es hat ja jeder ein Handy. Den Denkfehler haben außer mir wahrscheinlich 80 Prozent des Publikums gemacht, denn die wenigen Leute mit Armbanduhren konnten sich kaum vor verzweifelten Anfragen retten.

Eine andere Sache: Die Uber Eats Music Hall ist sehr stolz darauf, „cashless“ zu sein, also dass man dort nur mit Karte zahlen kann. Die Karte haben inzwischen aber viele nur noch auf dem Handy. Für mich war das kein Thema, aber ich konnte durchaus beobachten, wie der eine oder andere dadurch unerwartete Probleme hatte. Wie sinnvoll ist es also, ohne Handy herumzulaufen, wenn alle Welt darauf ausgelegt ist, dass man eines hat?

Und das Nervigste bei allem war natürlich: Die Langeweile. Ein Buch hatte ich nicht dabei, weil ich nicht gedacht hätte, dass ich damit durch die Sicherheitskontrolle komme. Ich höre jetzt schon den Einwurf: „Dann hätten Sie doch mit anderen Menschen reden sollen!“ Wer das denkt, unterschätzt, was für Eigenbrötler Bob-Dylan-Fans sind. Obwohl gar nicht so wenige Menschen offensichtlich alleine und gelangweilt im Foyer standen, wurde ich bei jedem Gesprächsversuch angeguckt wie Auto und sofort abgewimmelt. Ich bin jetzt mal mutig und behaupte, dass das nichts mit mir persönlich zu tun hatte, denn auf einem anderen Konzert am nächsten Tag hatte ich dasselbe Problem nicht.

Würde ich also nochmal auf ein handyloses Konzert gehen? Auf jeden Fall! Es muss ja wirklich nicht alles immer sofort auf Social Media geteilt werden. Aber beim nächsten Mal bin ich vorbereitet: Entweder mit einem Buch oder mit spannenderen Gesprächsthemen. Und einer Uhr.

Jana Hollstein schreibt immer dienstags für den KURIER über die große weite Welt des Internets. Mails an wirvonhier@berlinerverlag.com