Crash auf der Landstraße: Warum mich der tödliche Unfall von Schildow besonders traurig macht
Hinter dem nördlichen Berliner Stadtrand zwischen Schildow und Schönfließ kollidierten zwei Autos. Einer der Wagen war zu schnell. Zwei Frauen starben, eine von ihnen erwartete ein Kind.

Diese Linien gehen mir nicht aus dem Sinn. Ein schwerer Unfall ereignete sich am 10. Juli kurz hinter der nördlichen Berliner Stadtgrenze zwischen Schildow und Schönfließ. Zwei junge Frauen starben nach dem Zusammenstoß zweier Autos. Über tödliche Unfälle berichtet der KURIER häufig. Manchmal liest man achtlos darüber hinweg – keine Zeit für Gefühle. Manchmal will man nichts hören vom Unglück anderer, weil man selber große Sorgen hat. Doch manchmal wird man sehr traurig.
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Das besonders Furchtbare an der Tragödie von Schildow ist, dass eine der getöteten Frauen ein Baby erwartete. Und, dass die Männer, die mit ihrem Wagen den Unfall verursachten, nach dem Drama flüchteten. Sie waren laut Polizei zu schnell unterwegs und mit ihrem Mercedes gegen 21 Uhr in einer Kurve auf die Gegenfahrbahn geraten. Dort krachten sie mit einem Skoda zusammen. Darin saßen die Frauen. Sie hatten keine Chance. Die 32-Jährige und die 28-Jährige waren sofort tot. Das Auto war regelrecht aufgeschlitzt worden.
Plötzlich sah ich Markierungen auf der Straße, Skizzen einer Katastrophe
Einen Tag später fuhr ich diese Landstraße in Richtung Oranienburg entlang. Der normale Weg, um meine Mutter zu besuchen. Mein ureigenstes Terrain sozusagen. Plötzlich sah ich zwischen Schildow und Schönfließ gelbe Markierungen auf der Straße. Die Spuren der Arbeit von Unfallermittlern. Ich erinnerte mich sofort an die Meldung vom Vorabend. Auch an die Fotos, die unser Polizeireporter in die Redaktion geschickt hatte.
Die teils gestrichelten Linien zogen sich gefühlt über mehrere Hundert Meter hin, mal auf der linken, mal auf der rechten Fahrbahn, dann verloren sie sich in einem Feld. Geometrische Skizzen einer Katastrophe. Ansonsten sah fast alles wie immer aus, die Autowracks schon weggeräumt, die beiden Flüchtenden, 23 und 31 Jahre alt, lange von der Polizei gefasst. Sie kamen nur 800 Meter weit. Ich würde gern wissen, wie sie sich fühlen. Oder besser nicht.
Über diese Allee-Straße zu fahren, war mir immer eine Freude
Die B 96a verbindet Pankow mit dem nördlichen Umland. Wer hier von Berlin kommend unterwegs ist, pendelt von der Arbeit zurück in die Orte des nördlichen Speckgürtel. Oder ist am Wochenende auf dem Weg zum Spazierengehen, zum Baden im See oder zum Pilzesuchen. Über diese Allee-Straße zu fahren, war mir immer eine Freude. Im Frühling sieht man fröhliche Menschen in gelben Rapsblütenfeldern, die Selfies machen. Roter Mohn und blaue Kornblumen blühen im Frühsommer am Straßenrand und im Herbst stehen struppige Kraniche auf den abgeernteten Feldern. Eine kleine ländliche Idylle vor den Toren der Stadt.
Doch von nun an werde ich hier immer an die gestrichelten gelben Linien erinnert werden, an zwei Frauen und ein ungeborenes Baby. Und an die Menschen, die sie geliebt haben.
Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com