Blindgänger in Brandenburg: So lebt man in Oranienburg neben Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg
Unter dem Eindruck des Brandes auf dem Sprengplatz Grunewald denkt unsere Autorin über Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg nach.

Detonationen in der Nacht, die wie ein „krankes Feuerwerk“ klingen. Tagelang Rauchsäulen über den grünen Wipfeln des Grunewalds. Knatternde Hubschrauber der Bundespolizei, die in der Havel Wasser schöpfen. Sorgen und Ängste bei den Menschen, die in der Nähe ihr Zuhause haben. Mit dem Riesenbrand im Grunewald und der Debatte um den Sprengplatz im Südwesten der Stadt ist uns wohl allen wieder bewusst geworden, auf welch gefährlichem Grund wir in Berlin und Brandenburg leben. Explosive Hinterlassenschaften allerorten.
Alle KURIER-Kolumnen finden Sie auf unserer Kolumnen-Seite! >>
Der Zweite Weltkrieg, vor 77 Jahren beendet, sendet uns immer noch seine unheimlichen Boten. Auf einem Areal im Grunewald lagert die Polizei 30 Tonnen alte Granaten, Weltkriegsbomben, Munition und auch beschlagnahmte Feuerwerkskörper. Irgendwo muss das Zeug ja hin.
Im benachbarten Brandenburg ist auch keiner scharf drauf. Die Diskussion, ob der Standort in einer Millionenstadt vielleicht doch nicht optimal ist, beginnt gerade erst wieder. Der Riesenbrand im Grunewald hätte wohl am Ende noch viel schlimmer ausgehen können. Doch die Gefahren lauern in unserer Region überall. Nicht nur auf Sprengplätzen, sondern auch in Baugruben, unter Straßen und auf Grundstücken. Auch in Flüssen und Kanälen.
In Oranienburg wurden zwei Blindgänger entdeckt – entschärft werden können sie erst im Herbst
Das erleben auch einige Einwohner der brandenburgischen Stadt Oranienburg gerade hautnah. Dort soll die geplante Schleuse Friedenthal Oranienburger Kanal und Havel wieder miteinander verbinden. Dann können Hobby-Kapitäne und Paddler über den Ruppiner Kanal schippern und die romantischen Seen weiter nördlich erreichen. Bei der systematischen Suche nach Kampfmitteln vor Beginn der Schleusen-Bauarbeiten entdeckten die Spezialisten im März zwei sogenannte Anomalien – im und am Wasser.
Laut den Experten handelt es sich bei den metallischen Gegenständen mit großer Wahrscheinlichkeit um Bombenblindgänger. Nichts Ungewöhnliches in Oranienburg. Denn die Stadt nördlich von Berlin ist wie keine andere in Deutschland mit diesem explosiven Erbe belastet. „Bombenwetter heute“ ist dort ein geläufiger schlechter Scherz, wenn mal wieder eine Evakuierung wegen einer Entschärfung ansteht.
Als wichtiger Standort für die Nazi-Kriegsindustrie trafen Oranienburg im Zweiten Weltkrieg rund 20.000 Bomben, vor allem solche mit Langzeitzündern. Mehr als 200 davon wurden seit 1990 von Spezialisten aus der Erde geholt und unschädlich gemacht, genau so viele waren es schon zu DDR-Zeiten. Vermutet werden noch weitere 250 im Untergrund.
Blindgänger in 12 Meter Tiefe: Das gab es noch nie
Die nun am künftigen Schleusengelände entdeckten Bomben liegen laut Stadtverwaltung, anders als alle bisherigen, in etwa 12 Meter Tiefe. Einen Fund so weit von der Oberfläche entfernt gab es in der Havelstadt noch nie. Dementsprechend schwierig gestalten sich die Vorbereitungen auf die Entschärfungen. Im Herbst soll es laut Stadtverwaltung so weit sein. Bis dahin wurde zum Schutz der Anwohner an Havel und Kanal eine Wand aus riesigen Seecontainern errichtet.
Lesen Sie auch: Lästige Schädlinge: Mit DIESEN Mitteln vertreiben Sie Schnecken aus Ihrem Garten >>
Daneben leben die Menschen nun und müssen immer wieder an die explosiven Funde in ihrer unmittelbaren Nähe denken. Und sie hören, wie 80 Spundbohlen, eine Spezialanfertigung aus Luxemburg, in den Boden gepresst werden, um eine sichere Wand rund um die Bomben zu bauen. Und sie erwarten mit einigem Unbehagen die Grundwasserabsenkung, die auch noch folgen muss, um die gefährlichen Bomben freizulegen. Und sie hoffen, dass dann alles gut gehen wird mit deren Entschärfung.
Leben neben dem Bomben-Fund: Etwas Angst ist immer dabei
Denn etwas Angst schwingt immer mit. Bei denen, die noch bis zum Herbst neben den explosiven Funden leben müssen und bestimmt auch bei jenen, die jetzt in der Nähe der Fundstelle arbeiten. Alles vorbereiten – für eine anspruchsvolle, aufwendige und teure Mission. Damit alles glimpflich ausgeht. So wie der Großbrand auf dem Sprengplatz im Berliner Grunewald.

Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten. Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com