Aufschwung Ost dank Tesla: Das ist kein Grund zum Jubeln!
Trotz Energiekrise und Inflation: Endlich ist die ostdeutsche Wirtschaft besser als die im Westen – vor allem in Brandenburg. Doch der Preis dafür ist hoch.

Die Nachricht hat mich überrascht. Die Wirtschaft in Ostdeutschland ist deutlich besser durch die Energiekrise gekommen als jene in Westdeutschland. Das vermeldete vor wenigen Tagen das angesehene Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle. Eine Botschaft, die das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen stärkt.
Ja, es ist auch ein schönes Gefühl für mich, über den jetzigen Aufschwung Ost zu lesen. Schließlich habe ich nicht vergessen, wie abfällig es immer hieß, die Ossis würden den Wessis stets hinterherhängen, wenn es um das Thema Wirtschaft ging. Und nun sind es gerade die Menschen im Osten des Landes, die beweisen, dass sie wie eh und je auch in schweren Zeiten in der Lage sind, leistungsstark zu sein, sich durchzuboxen und sich von nichts umhauen lassen.
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Nun könnte ich ein Loblied auf den Fleiß und die Tugenden der Ostdeutschen anstimmen. Darüber, dass im vergangenem Jahr die Produktion der Ost-Wirtschaft um rund drei Prozent gestiegen ist, die in Westdeutschland nur um 1,5 Prozent. Und das trotz der Folgen des von Russland angezettelten Krieges in der Ukraine, der auch aufgrund von Spekulanten zu höheren Energie-, Material- und Lebensmittelpreisen führte, mit denen Unternehmen und kleine Betriebe bis heute zu kämpfen haben.
Und die gute Nachricht geht noch weiter. Auch in diesem Jahr sei in Ostdeutschland mit einer höheren Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts im Vergleich zum gesamten Land zu rechnen, sagen die Experten. Das sorgt trotz Krise nicht nur für den Erhalt der Jobs. Im vergangenem Jahr stiegen sogar die Bruttolöhne der Ostdeutschen im Vergleich zu 2015 um 12,5 Prozent stärker an als in Deutschland insgesamt.

Aufschwung: Nur wegen Tesla ist die Wirtschaft im Osten besser als im Westen
Aber der Bericht des Wirtschaftsinstitutes ist mit Vorsicht zu genießen. Denn schon meine Oma sagte, traue keiner Studie, die du nicht selber gefälscht hast. Nun haben die Experten vom IWH bestimmt nichts in ihrer Betrachtung gefälscht oder beschönigt. Aber sie weisen in ihrem Bericht auf einen Fakt hin, der meine anfängliche Freude nun doch erheblich trübt.
Denn die Wahrheit ist: Dass nun seit Jahren die Ost-Wirtschaft besser als die im Westen ist, verdanken wir vor allem dem US-Milliardär Elon Musk. Der Großteil des Aufwärtstrends im Osten geht nämlich auf seine Tesla-Elektroautoproduktion im brandenburgischen Grünheide zurück. Ohne sie würde die Wirtschaft im Osten genauso stagnieren wie im Westen, so die Experten.
Aufschwung Ost: Trotz Aufbausünden von Tesla jubelt die Politik

Tesla hat knapp sechs Milliarden Euro in den Standort investiert, fast 10.000 neue Jobs geschaffen. Nun holt Brandenburg gegenüber den westlichen Bundesländern deutlich auf, jubelt Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). Doch zu welchem Preis?
Die Gewerkschaften prangern fragwürdige Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Werk an. Mit dem Bau der Tesla-Gigafabrik wurden Wälder abgeholzt, wertvoller Lebensraum für Tiere zerstört. Die Trinkwasserversorgung könnte für umliegende Gemeinden in Gefahr geraten. Es gab Verstöße beim Bau eines Gefahrenstofflagers.
Doch die Politik jubelt. Sogar die Brandenburger Grünen sind erstaunlich schweigsam, die sonst bei Verstößen gegen die Umwelt sofort auf die Barrikaden gehen würden. Ich sage es ganz ehrlich: Über so einen Aufschwung Ost kann ich mich nicht wirklich freuen.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
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