Die Liedermacherin und Lyrikerin Bettina Wegner spielt 1974 in ihrer Wohnung auf der Gitarre.
Die Liedermacherin und Lyrikerin Bettina Wegner spielt 1974 in ihrer Wohnung auf der Gitarre. dpa

Sind so kleine Hände – das ist längst nicht alles, was man von Bettina Wegner kennen muss. Viele hatten früher ihre Platten im Regal. Und es gibt auch heute, gerade heute, junge Männer und Frauen, die ihre Lieder zum ersten Mal hören und nicht mehr loskommen von ihrer Eindringlichkeit, der Ehrlichkeit, mit der Bettina Wegner besingt, was war und was noch immer ist.

Irgendwann konnte sie ihr berühmtes Lied von den Kinderhänden und aufrechten Menschen mit Rückgrat nicht mehr hören. Mittlerweile ist die Frau, die mit Joan Baez auf der Bühne stand, versöhnt mit dem Lied. Doch das Leben und Werk der Berliner Liedermacherin Bettina Wegner (74) hat viel mehr Facetten. Das zeigt ein Dokumentarfilm von Lutz Pehnert, der bei der Berlinale Premiere feierte und der im Mai in die Kinos kommen soll.  „Aufrecht stehen, wenn andere sitzen“, heißt eine ihrer Liedzeilen im Lied über Gebote. Passend für eine Musikerin, die Poesie und Politik miteinander verbindet.

Heimweh nach Heimat - wenn sich nichts richtig anfühlt

Lutz Pehnert erzählt in Kapiteln aus Wegners Lied „Über Gebote“ aus ihrem Leben, etwa von ihrer Zeit in der DDR: Als junge Frau protestierte sie gegen das gewaltsame Ende des Prager Frühlings und wurde verhaftet - da war sie gerade Mutter eines Sohnes geworden. Im Film sind Originalaufnahmen aus dem Prozess zu hören, ein beeindruckendes Dokument.

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Wegner geriet im DDR-Staat unter Druck, besonders, nachdem sie sich 1976 gegen die Ausbürgerung von Liedermacher Wolf Biermann stark gemacht hatte. 1983 ging sie in den Westen, der Verlust der Freunde schmerzte sie sehr. Sie hatte „Heimweh nach Heimat“. Im Film sagt sie, die am Rande Berlins in Frohnau wohnt : „Ich fühle mich bis heute nirgendwo verwurzelt.“ Sage noch immer ‚hier‘ und ‚drüben‘.

Für was lohnt es sich, aufzustehen?

Seit Jahrzehnten lebt Bettina Wegner  im Norden der Stadt. Als sie dorthin zog, war der Mauerfall für viele in weiter Ferne, die Bahngleise an ihrem Garten waren verrostet. Heute fährt dort wieder die S-Bahn. Wegner gibt nur noch gelegentlich  Konzerte, wie im Film zu sehen ist. Dabei braucht es doch gerade jetzt Stimmen, die sensibel und scharf besingen, für welche Werte es sich aufzustehen lohnt.

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In der Doku berlinert sie gerade heraus über ihr Leben, etwa, wie sie ihre damalige Beziehung „vergeigte“, als sie sich vor Jahren in Oskar Lafontaine verliebte und dass sie alleine ist, seitdem sie 50 ist. Aufrecht stehn, wenn andre sitzen,
lauter schrein, wenn andre schweigen, beim Versteckspiel sich zu zeigen, Hoffnung haben beim Ertrinken, nicht im Wohlstand zu versinken, einen Feind zum Feinde machen, Solidarität mit Schwachen – das alles gilt. Wegners Lieder sind heute aktuell. (mit dpa)

„Aufrecht stehen “ - Doku über Liedermacherin Bettina Wegner ab 19. Mai im Kino

Bettina Wegner, deutsche Liedermacherin und Lyrikerin, in einer Szene des Films „Bettina“ (undatierte Aufnahme).
dpa
Bettina Wegner, deutsche Liedermacherin und Lyrikerin, in einer Szene des Films „Bettina“ (undatierte Aufnahme).

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Stefanie Hildebrandt schreibt regelmäßig im KURIER über Berlins Kieze und den Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com