In einem italienischen Restaurant läuft Fußball. (Symbolfoto)
In einem italienischen Restaurant läuft Fußball. (Symbolfoto) Imago/Michael Schick

Aktuell dosiere ich sehr gründlich, wann ich mich aus dem Haus wage. Es ist Birkenpollen-Saison und die hält mich üblicherweise in meiner Wohnung, vor einem Buch oder (natürlich) dem Fernseher. Nicht aber am letzten Samstag. Zusammen mit meiner Frau schwang ich mich aufs Rad, um zu unserer Lieblings-Pizzeria in der Danziger Straße zu fahren.

Wir wollten eine knusprige Pizza und vielleicht einen Aperol-Spritz auf den Bierbänken vor dem Laden genießen. Doch die standen nicht so aufgereiht dort, wie sonst immer, sondern alle ausgerichtet auf einen kleinen Fernseher.

Erstes Public Viewing des Jahres mit Inter Mailand gegen AS Rom

Es lief das Topspiel der Serie A: Meisterschaftskandidat Inter Mailand gegen die AS Rom, die um die Teilnahme an der Europa League kämpft. Um den Fernseher herum standen 15 bis 20 Männer und Frauen, alle in Fankleidung der Roma und auch wir blieben stehen, einfach um das Gefühl aufzusaugen. Denn Public Viewing im kleinen Kreis, im Freien, mit völlig Fremden, die einem plötzlich ganz nah sind, Pizza und Bier ist einfach wunderschön!

Großen Veranstaltungen wie es das bei einigen Turnieren am Brandenburger Tor gegeben hat, kann ich hingegen nichts abgewinnen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man genug von dem Spiel mitbekommt, für das man sich schließlich dort eingefangen hat. Immer scheint die nächste Bratwurst oder das nächste Bier wichtiger zu sein. Und immer hat man irgendeinen Deutschland-Hut im Blickfeld.

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2014 wurde Deutschland Weltmeister. Der Fan hinter diesem Hutträger hat aber bestimmt nicht alles gesehen.
2014 wurde Deutschland Weltmeister. Der Fan hinter diesem Hutträger hat aber bestimmt nicht alles gesehen. Imago/Müller-Stauffenberg

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Doch je kleiner und familiärer das Public-Viewing wird, umso mehr Spaß macht es mir. So wie am Samstagabend bei der Pizzeria an der Danziger Straße. Zwar verlor die Roma mit 1:3, doch die Stimmung war hervorragend und machte mir Lust auf das nächste Fußball-Großereignis, bei dem es Public Viewing unter freiem Himmel bei lauen Temperaturen gäbe – und musste verdammt weit in die Zukunft schauen.

Public Viewing: Wann geht es wieder los?

Denn das nächste Turnier, bei dem diese Stimmung transportiert werden dürfte, wird wohl erst im Jahr 2024 stattfinden – dann steigt die Männer-EM in Deutschland. Zuvor gibt es noch eine EM der Frauen in diesem Sommer und im nächsten Jahr eine WM. Turniere, die ich mir auch anschauen werden, bei denen es aber vermutlich keine aufgestellten Fernseher vor Kneipen oder Pizzerien geben wird.

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Und dann ist da ja auch noch die unsägliche Winter-WM in Qatar, die unter anderem in der Kritik steht, weil während dem Bau der Sportstädten 6500 Gastarbeiter, die unter dramatischen Bedingungen arbeiten mussten, zu Tode gekommen sind. Zudem gibt es in Qatar drakonische Strafen für das Ausleben von Homosexualität.

Public Viewing: Wie könnte das zur Qatar-WM aussehen?

Noch immer weiß ich nicht, wie ich es mit diesem Turnier handhaben werde. Ob ich es mir überhaupt angucken will – oder ob ich es schaffe, konsequent zu bleiben und das Turnier meide. Sicher ist: Gemütliche Abende in kleinen Menschentrauben vor Kneipen, Pizzerien oder Spätis wird es bei diesem Winter-Turnier wohl kaum geben. Und wenn ist es schwer vorzustellen - mit dicken Jacken und Glühwein.

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Und so bleibt mir, wenn ich das Gefühl vom letzten Samstag in diesem Jahr öfter erleben möchte, wohl nur, immer wieder, wenn die AS Rom spielt, mir in der Danziger Straße eine Pizza zu holen. Zum Glück ist das ein Verein, mit dem ich ohnehin etwas anfangen kann...

Domescu Möller schreibt jeden Donnerstag im KURIER über die Welt des Fernsehens.
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