Wenn der Einkauf zum Abenteuer wird: Als ich neulich im Supermarkt so zerstreut war

Ein einfacher Einkaufswagen kann schnell zum Problem werden, weiß unsere Autorin.

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Ein Korb steht einsam in einem Supermarkt.
Ein Korb steht einsam in einem Supermarkt.imago/Martin Wagner

Im Leben passieren oft Katastrophen. Große, fast unbeschreibbare und die kleinen, die uns nur für Momente schier verzweifeln lassen. So eine habe ich gerade mal wieder durchlebt. Ich musste einkaufen, was nicht unbedingt zu meinen Lieblings-Beschäftigungen gehört. Weil sich Besuch angesagt hatte, gab es eine große Zutatenliste fürs geplante Mahl. Deshalb nahm ich im zweietagigen Markt auch nicht einen kleinen Tragekorb, wie normalerweise, sondern eines dieser bauchigen fahrbaren Ungetüme, in denen der Einkauf immer ganz mickrig aussieht. Bis man ihn bezahlen soll.

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Ich greife mir also eine dieser vierrädrigen Kisten und lege eine blaue Tasche hinein, in der sich bereits Brot und Salate befinden - zuvor woanders erworben. Nun also Zettel raus, die Beschaffungsmaßnahme beginnt.

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Tomaten, Knoblauch und Schluppen in der Gemüse-Abteilung, Bohnen verschiedener Farbe bei den Konserven, ein ungeplantes Notizheft für die Arbeit bei den Schreibwaren und schon geht’s mit der Rolltreppe  ins Untergeschoss. Dort landen Kaffee, Kondensmilch und Tee im Korb. Am Fisch vorbei komme ich zur Käsetheke. Der Angebotskäse eignet sich gut zum Überbacken, also stelle ich mich kurz in die Schlange. 

Der Riesenkorb stört nur in der Schlange

Währenddessen lasse ich den Korb ein Stück entfernt stehen. Sie kennen das bestimmt, so ein Riesenkorb in der Schlange, der stört nur. Der Käse landet dann im Einkaufskorb, danach eine Sauce, nächster Halt Molkerei-Truhe. Ich bin zufrieden, dass ich bald alles habe und hier raus kann. Zwei Butterpäckchen gegriffen und in den Korb gelegt. Doch dann stutze ich,  was sehe ich plötzlich tief da unten - eine tiefgefrorene blasse Ente, ein Sträußchen Beifuß und Fertig-Kroketten. Das ist nicht meins, will ich fast laut und beleidigt ausrufen. 

Dann dämmert mir – dieser Korb gehört gar nicht nicht mir. Doch wem dann? Und wo ist meiner überhaupt? Behutsam nehme ich die Butter in die Hand und entferne mich unauffällig von dem Enten-Korb. Wo habe ich den bloß aufgegabelt. Beobachtet mich jemand? Gibt es gleich ein großes Palaver? Ich schleiche davon. Und den ganzen Weg zurück. Vorbei an Käsetheke, Kaffee-Abteilung, Tee-Sortiment. Treppe rauf, Schreibwaren,  Konserven- und Gemüse-Regale. 

Keine Spur vom verschwundenen Korb

Während des gesamten Weges schmule ich in jeden Korb, der sich mir zeigt. Eine Frau schüttelt sogar misstrauisch den Kopf, als ich zu interessiert in den Wagen an ihrer Seite blicke. Fast will ich zu einer Erklärung anheben, weiß dann aber nicht, was ich ihr sagen soll. Stattdessen ziehe ich weiter unbeirrt meine Zick-Zack-Bahnen durch die Gänge und begutachte, was sich in fremden Körben stapelt. Besonders in den abseits stehenden. Doch keine Spur von meiner Tasche, den Tomaten und dem Gratiniergut. 

Aber ich habe überhaupt keine Lust nochmal von vorn anzufangen, alles wieder zusammenzusuchen. Also laufe ich noch einmal vorwärts alles ab. Blicke mich mit Argusaugen um. Und siehe da, das Malheur muss doch an meiner letzten Station, am Kühlschrank mit der Butter, passiert sein, denn in dessen Nähe finde ich nun den einsamen Korb mit meinen Sachen,  inklusive blauer Tasche. Schnell an die Kasse, dieser Einkauf ist endlich vorbei. 

Später erzählt mir meine Mutter, dass ihr mal ein Wagen verloren ging, in dem sich ein Beutel mit gerade vom Schuster abgeholten Schuhen befand. Sie konnten aber nach hektischer Suche wiedergefunden werden. Am Abend schaue ich im Netz nach, ob es noch mehr derart zerstreute Einkäufer gibt. Und siehe da, der im Supermarkt geklaute fremde Wagen ist scheinbar gar nicht so selten.

In einem Forum schreibt jemand „Mir ist das schon einmal passiert, habe die Lebensmittel aber nicht wieder zurück gelegt. Aber ein Mann hat einmal aus meinen Einkaufswaagen, die letzten Erdbeeren rausgenommen.“ Und ein anderer beschwert sich, er habe einmal 30 Minuten lang seinen vollgepackten Wagen gesucht. Da bekomme ich ein kleines schlechtes Gewissen.

Deshalb  bitte ich mit diesem Text die Person, der ich den Einkaufswagen geklaut oder besser gesagt entführt habe, inständig um Verzeihung. Ich hoffe, die Ente hat dennoch den Weg in einen Backofen gefunden.  

Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com