Adieu goldener Herbst: Warum der Abschied in diesem Jahr besonders  schwerfällt

In diesem Jahr klingt "kalt und dunkel" bedrohlicher als früher, wie unsere Autorin findet

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Die Sonne scheint durch herbstlich bunt gefärbte Blätter von Laubbäumen. Fotografiert am Ufer der Spree vor den Toren Berlins. 
Die Sonne scheint durch herbstlich bunt gefärbte Blätter von Laubbäumen. Fotografiert am Ufer der Spree vor den Toren Berlins. dpa/Patrick Pleul

Abschied vom Sommer und vom goldenen Herbst. Vielleicht das letzte Mal in diesem Jahr in die Pilze gehen. Über sonnendurchwobene Brandenburger Alleen fahren. Die Blätter ziellos trudeln sehen. Und trompetenden Kranichen bei ihrem Formationsflug auf dem Weg zur Rast an den Linumer Teichen hinterherträumen. In diesem Jahr fällt mir das Adieu von der Draußen-Zeit des Jahres noch schwerer als sonst.  Kalt und dunkel, das klingt in diesem Herbst bedrohlicher als früher.  

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In anderen Jahren wussten wir ziemlich genau, dass uns mit großer Sicherheit ein miesepetriger November bevorsteht, auf den dann aber ein Lichterfest im Kreis der Lieben - nehmen wir die Corona-Lockdown-Jahre mal aus - folgte. Wenn uns früher zum Weihnachtsfest Völlerei in überheizten Wohnungen ein Problem war, sind heute die Sorgen viel unüberschaubarer. Die russische Invasion in der Ukraine, dieser grausame Krieg, hat auch bei uns vieles verändert.    

Stolz auf die Stadtwerke

Ein Freund berichtete mir kürzlich geradezu stolz, die Stadtwerke seines Heimatortes seien sehr kulant bei den Preisen. Wer, bitte, hat früher was über die Stadtwerke gewusst und dann auch noch mit anderen darüber diskutiert. Heute hat zur Gaspreisbremse, zu ausgeklügelten Energiespar-Tricks oder steigenden Preisen für batteriebetriebene Kerzen jeder was zu sagen. Themen, die inzwischen zum kollektiven Gesprächskanon der Gesellschaft gehören, die Angst erkennen lassen. Doppelwumms hin oder her.  

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Berlin hat nicht genügend Plätze für ukrainische und andere Flüchtlinge, klagt Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping. Die Stadtmission schlägt Alarm, weil ihre Kleiderkammern leer sind. Die Berliner Tafel hat immer weniger zu verteilen, sagt Gründerin und Vorsitzende Sabine Werth. „Es kommen immer mehr Menschen zu uns und unsere Ausgabestellen versuchen nach Kräften, allen gerecht zu werden.“ 

Was uns im kommenden Winter erwartet, ist noch so unklar, wie die Auflösung eines Krimis, von dem man gerade die ersten Seiten gelesen hat. Und damit meine ich weder eine in Berlin vielleicht anstehende Wahlwiederholung noch Demonstrationen, bei denen Menschen mit den falschen Leuten richtige Dinge einfordern.   

Kraniche fliegen am herbstlichen Himmel. In diesen Wochen ziehen die imposanten Vögel wieder in großen Scharen laut trompetend über unsere Region.&nbsp;
Kraniche fliegen am herbstlichen Himmel. In diesen Wochen ziehen die imposanten Vögel wieder in großen Scharen laut trompetend über unsere Region. dpa/Patrick Pleul

Die Socken kann man sich noch ein paar Tage sparen

Das Einzige, was derzeit gut erscheint, ist das Wetter. Es hält sich nicht an die Regeln, der Klimawandel lässt grüßen. Dieser Tage liegt eine Wärmewelle über unserer Region. Frühlingslaue Lüftchen wehen durch die Stadt und übers Land. So eine Witterung hat es bei uns in einem Oktober seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 noch nie gegeben, sagt Meteorologe Dominik Jung von wetter.net. Der Oktober '22 könnte damit der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden. Da kann man die Schuhe noch ohne Socken anziehen. Wenigstens etwas.

Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com