32 Jahre nach Mauerfall: SO hat sich unsere Ost-Heimat verändert
Unser Autor schaute sich daher den Treptower Ortsteil Adlershof genauer an, in dem er einst lebte.

Neulich war ich wieder in Adlershof. Nicht nur, weil dort mein Vater zu Hause ist und es dort nun eine neue Straßenbahnverbindung gibt. Nein, ich bin dorthin gekommen, um mir einmal ganz genau anzusehen, wie sich mein Heimatort im Osten in den 32 Jahren nach dem Mauerfall verändert hat.
Der Treptower Ortsteil, in dem ich meine Kindheit und Jugendzeit verbrachte: Er war für mich etwas besonderes. Vor allem, weil hier das DDR-Fernsehen mit seinen Stars zuhause war. Sie konnte man mit viel Glück in der Kaufhalle an der Dörpfeldstraße einkaufen sehen. Ich erinnere mich noch wie „Rumpelkammer“-Star Willi Schwabe mit dem Rad durch Adlershof fuhr.
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Auch wenn es den Deutschen Fernsehfunk seit dem 31. Dezember 1991 nicht mehr gibt, kommen noch immer die Promis nach Adlershof. Denn auf dem Fernsehareal werden heute in dem Studio Berlin TV-Shows wie „Voice of Germany“ oder Kanzlerduelle produziert. Und in dem einstigem Aktuellen-Kamera-Studio gibt es mit dem Theater Ost auch die erste Bühne in Adlershof.
Es hat sich im Ort vieles getan, seitdem Berlin seit 32 Jahren wieder eine Stadt ist. Ich erinnere mich, wie ich als Junge mit dem Rad die Rudower Chaussee entlang fuhr, an der damals das Fernsehen, die Akademie der Wissenschaften und das Stasi-Wachregiment lagen. Mein Weg Richtung Westen endete damals irgendwann an der Mauer.

Heute kann man auf dieser Straße weiter nach Neukölln radeln, vorbei an einem Landschaftspark, an Cafés, Hotels und Firmengebäuden. Denn die Rudower Chaussee ist ein gigantischer Stadtteil geworden, in dem auf über vier Quadratkilometern 22.000 Menschen in 1200 Unternehmen arbeiten. Die Wissenschaftsstadt Adlershof, von der aus man sogar die unendlichen Weiten des Alls erobert, dank des dortigen Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums. Den „schlausten Kiez von Berlin“ nennt man diesen Teil meiner alten Heimat – und das macht mich stolz.
Andere Veränderungen stimmen mich traurig. Denn Marktwirtschaft, fragwürdige Stadtplanung und hohe Mietpreise haben auch in der alten Heimat Spuren hinterlassen. Wie an der Dörpfeldstraße, dem „Boulevard“ von Adlershof, in dessen Nähe ich bis 1992 wohnte. Zwar wurden dort Häuser saniert und neu errichtet, es gibt dort auch viele Geschäfte und Restaurants. Aber keinen Buchladen mehr. Auch der Bäcker mit den besten Berliner Schrippen (jedenfalls für mich) ist weg, wie auch der Plattenladen, an dem ich donnerstags anstand, um die Ost-Platten mit den West-Stars zu bekommen.

Dafür gibt es gefühlt über zehn Friseure für über 20.000 Adlershofer. Froh bin ich, dass am Bahnhof der Imbiss überlebt hat, in dem es für mich die beste Currywurst der Stadt gibt. Verkauft wird sie nicht mehr wie früher aus einer Baracke. Der Imbiss ist ein schicker Laden geworden.
Dafür ist das Kino „Capitol“, in dem ich als Kind Indianerfilme mit Gojko Mitic sah, nun ein Fitnesscenter geworden. Zum Glück gibt es gleich um die Ecke das kleine Kino „Cassablanca“, das vor Jahren in einem Ladenlokal Unterschlupf fand.

Weg ist auch der legendäre Jugendklub „Julian Grimau“, in dem in den 70ern die Rockband City probte und in dem ihr Mega-Hit „Am Fenster“ entstand. Nun thront dort ein modernes Wohnhaus.
In Adlershof wird sich noch so vieles ändern, davon künden schon jetzt einige Baustellen. Ich bin gespannt, wie es mit meiner alten Heimat im Osten weiter geht.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com
Anmerkung: Eine Leserin schrieb mir, dass es in Adlershof doch einen Buchladen gibt - am Marktplatz. Den habe ich leider übersehen. Vermutlich, weil ich auf der Suche nach dem Buchladen war, den ich früher oft besuchte. Dieser befand sich an der Dörpfeldstraße . Diesen Laden gibt es heute nicht mehr.