Bei der Wasser-Demonstration mit Booten auf dem Landwehrkanal in Berlin an Pfingsten können die Abstandsregeln nicht eingehalten werden.
Bei der Wasser-Demonstration mit Booten auf dem Landwehrkanal in Berlin an Pfingsten können die Abstandsregeln nicht eingehalten werden. Foto: David Gannon / AFP

Nach den vielen Beschränkungen der letzten Monate bekommen die Deutschen mehr und mehr ihre Freiheit zurück. Das bringt gleichzeitig ein gewisses Maß an Eigenverantwortung mit sich. Wie gehen wir Menschen mit den wiedergewonnenen Privilegien um? Besteht die Gefahr, dass wir zu sorglos werden?

„Diese Frage stellt sich zurecht“, sagt Anke Precht. Sie ist Diplom-Psychologin aus Offenburg, schätzt das Risiko aber eher gering ein: „Natürlich wird es Menschen geben, die über die Stränge schlagen. Ich bin allerdings überzeugt, dass diese das auch schon vor Corona getan haben. Die allermeisten Menschen dürften verstanden haben, dass Gesundheit ein wertvolles Gut ist und dass sich Vorsicht lohnt, um sie zu bewahren.“

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Die Zugeständnisse aus der Politik an jeden einzelnen von uns hält Precht für den richtigen Schritt: „Das Vertrauen von außen stärkt unser Selbstvertrauen. Und ein Mensch, der sich selbst vertraut, ist meistens auch vernünftiger.“ Eine längerfristige Einschränkung der Eigenverantwortung hätte durchaus zu Problemen führen können, betont sie: „Wenn man so stark eingeschränkt wird wie im Falle des Lockdowns, kann das zu sehr starken psychischen Leiden führen. Dass das jetzt wieder so langsam in die andere Richtung gedreht wird, ist für viele eine totale emotionale Entlastung.“

Unterschiedlicher Lockerungs-Kurs der einzelnen Bundesländer

Zur Belastung für die Gesellschaft könnte der unterschiedliche Lockerungs-Kurs der einzelnen Bundesländer werden. Thüringen will die Maskenpflicht beispielsweise Anfang Juni abschaffen. Precht glaubt, dass es zu mehr Diskussionen über die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen kommen wird, Deutschland diese Debatte aber aushalte: „Das, was eine Demokratie ausmacht – dass man über Themen diskutiert und unterschiedliche Blickwinkel einbezieht – wird dadurch gefördert. Das finde ich aus psychologischer Sicht gut, denn es zeigt, dass die Bürger ernst genommen werden.“

Precht, die mit „Jetzt stark werden!“ eine Art Reiseführer für den Umgang mit der Corona-Krise und anderen Katastrophen geschrieben hat, rät jedem einzelnen: „All die wichtigen Erkenntnisse zu Persönlichkeit, Partnerschaft oder Job, die während des Lockdowns zutage gefördert wurden, sollte man in die Zukunft mitnehmen. Zu sagen, ich habe hier etwas gelernt, oder ich habe da eine Schwäche, ist wichtig für unseren persönlichen Entwicklungsprozess. Jeder sollte offen hingucken, wie sich das Leben in den nächsten Monaten verändert und daran aktiv mitarbeiten.“