Tierschützer warnen: Berlins Tauben droht bald der qualvolle Hungertod
Die Vögel fressen das, was die Menschen übrig lassen - weil derzeit aber niemand auf der Straße unterwegs ist, gibt es auch kein Futter.

Für den Menschen ist das Coronavirus eine reale Gefahr - aber nicht nur, sondern auch für die Wildtiere der Stadt. Tierschützer schlagen jetzt Alarm: Weil immer weniger Berliner auf den Straßen unterwegs sind, haben es vor allem die Tauben schwer. Ihnen droht durch die Corona-Krise der qualvolle Hungertod.
Tauben ernähren sich von dem, was die Menschen zurücklassen
Sie ernähren sich davon, was die Menschen zurücklassen, werden oft auch von den Berlinern gefüttert - und sind nun bedroht: die Vögel in den Großstädten. "Da Tauben sehr standorttreu sind, werden sie die Innenstädte nicht verlassen und verhungern, wenn ihnen nicht bald Nahrung zur Verfügung gestellt wird", sagt Leonie Weltgen, Fachreferentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Hinzu komme, dass gerade Brutsaison sei - auch viele Jungtiere könnten deshalb in ihren Nestern sterben, weil sie von ihren Eltern nicht mehr versorgt werden können.
Probleme, die auch Berliner Taubenschützer sehen. "Während die Natur sich gerade vom Menschen erholt und viele Wildtiere von der Abwesenheit des Menschen profitieren, leiden die Stadttauben noch mehr Hunger als sonst", sagt Tierschützerin Doreen O., die sich in ihrer Freizeit um mehrere Futterstellen rund um den Berliner Gendarmenmarkt kümmert. Erst im vergangenen Jahr gab es hier massive Probleme, weil Tier-Hasser großflächig Gift streuten, weshalb die Vögel in Scharen starben (der KURIER berichtete). Tierschützer wurden zudem massiv bedroht.
Nun - die Restaurants sind geschlossen, keine Menschen sind unterwegs - fällt die Hauptnahrungsquelle der Tiere weg. "Viele Tauben sind so verzweifelt, dass sie tatsächlich fast auf die Hand kommen, wenn ihnen Futter angeboten wird", sagt Doreen O. Ein Video aus Spanien zeigt etwa, wie ein Hochzeitstaubenschwarm verzweifelt dem einzigen Menschen hinterherfliegt, der auf einer leeren Straße unterwegs ist - in der Hoffnung auf etwas Futter.
Uns ist klar, dass die große Zahl an Stadttauben vielerorts ein Problem ist. Dass die Tiere qualvoll verenden, dürfen die Städte aber nicht zulassen.
Leonie Weltgen, Deutscher Tierschutzbund
Inzwischen wurde sogar eine Petition ins Leben gerufen, um das Fütterungsverbot, das in den meisten Bundesländern existiert, während der Corona-Krise zu lockern oder sogar aufzuheben. Das fordert auch der Tierschutzbund. "Uns ist klar, dass die große Zahl an Stadttauben vielerorts ein Problem ist. Dass die Tiere qualvoll verenden, dürfen die Städte aber nicht zulassen", sagt Leonie Weltgen. "Die Vorfahren der Stadttauben wurden einst vom Menschen gezüchtet - wir tragen also eine besondere Verantwortung für diese Tiere."

Ein andere Problem sieht Derk Ehlert, der Wildtier-Experte des Senats. Denn: "Während auf den Straßen gähnende Leere herrscht, nutzen viele Berliner derzeit gern die Grünanlagen für die siedlungsnahe Erholung", sagt er. Heißt: In vielen Parks und Wäldern ist derzeit mehr los als sonst. "Das ist für die Tiere, die dort leben, natürlich irritierend." Er appelliert deshalb an alle Berliner, sich in Wald und Heide an die Verhaltenregeln zu halten. Also: "In Naturschutzgebieten ist genau definiert, wie und wo man sich bewegen darf. Und Hunde nur dort unangeleint laufen lassen, wo es gestattet ist." Das alles hat aber auch gute Seiten: "Die Straßen sind etwas leerer, sodass weniger Tiere durch Autos gefährdet sind", sagt Ehlert. "Und die Berliner merken derzeit, wie toll es ist, so viele Parks und Wälder zu haben. Die Stadt brüstet sich gern damit, dass 40 Prozent der Fläche Grünanlagen sind - in der jetzigen Zeit wird deutlich, wie wichtig das für jeden einzelnen sein kann."