Futterknappheit

Polnische Riesenmöwen belagern das Kanzleramt

Die Vögel fliehen nach Berlin. Hier finden sie ein Schrippen-und-Pommes-Paradies

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Großmöwen balgen sich um Nahrung. In Berlin finden sie  viel davon.
Großmöwen balgen sich um Nahrung. In Berlin finden sie viel davon.

Das Kreischen der Großmöwen hallt durch die Häuserschluchten:  200 der mächtigen Vögel erobern die deutsche Hauptstadt.   Viele kommen aus Polen und von der Ostsee. Und man erkennt sie daran, dass sie doppelt so groß sind wie die üblichen Lachmöwen. Wer das nicht glaubt, der kann sie sich am Kanzleramt selbst  ansehen.

Im Regierungsviertel  machen sie sich breit, auch am Alex, am Tegeler See und am Müggelsee. „Diese Vogelarten weiten ihren Lebensraum deutlich aus“, sagt Derk Ehlert, Wildtier-Experte des Senats. Er spricht von „Vogelarten“ in der Mehrzahl, denn Großmöwe ist nicht gleich Großmöwe. „In Berlin sind   Silbermöwe, Steppenmöwe und Sturmmöwe besonders verbreitet“, sagt Ehlert. Aber  auch andere Arten     flattern bereits in der Stadt herum.   Man schätzt, dass es   bis zu 50 Großmöwen-Brutpaare in Berlin gibt – das macht schon mal 100   Exemplare. Hinzu kommen etwa 100 vagabundierende Vögel,  womit der geschätzte Bestand auf 200 steigt. „Wir vermuten aber eine hohe Dunkelziffer an Brutplätzen“, sagt Ehlert.

Experte Derk Ehlert  hält  Ausschau  im Regierungsviertel. Dort    sichtet man Wildtiere – etwa Großmöwen.
Experte Derk Ehlert hält Ausschau im Regierungsviertel. Dort sichtet man Wildtiere – etwa Großmöwen.

Deshalb könnten es noch mehr  Tiere sein. Nicht mitgezählt sind die kleineren Lachmöwen, die schon seit vielen Jahren fest zu Berlin gehören. Die Großmöwen zieht es verstärkt in die Großstadt, weil ihre Heimat am Meer nicht mehr hält, was sie verspricht. Früher fraßen die Vögel den sogenannten Beifang der Fischkutter. Heute gibt es fast nur noch Hochseefischerei. Die Folge: Nahrungsmangel. „In Berlin   hingegen finden die Tiere viel Futter“, sagt Ehlert.

Invasion der Großmöwen für Vogel-Fans erfreulich

Großmöwen bedienen sich  gerne an Schrippen und Pommes, etwa bei den Touris am Kanzleramt. Genau darin liegt aber auch eine Gefahr: Die anpassungsfähigen Vögel könnten bald auf die Idee kommen, Menschen direkt anzufliegen – und ihnen Snacks aus den Händen zu stehlen. Am besten also, man fordert es gar nicht erst heraus. Ehlert mahnt: „Vom Füttern der Tiere raten wir ab.“

Für Vogel-Fans ist die Invasion der Großmöwen trotzdem erfreulich: Die Zahl der Beobachtungschancen ist massiv gestiegen, seit vor acht Jahren das erste Großmöwen-Brutpaar entdeckt wurde. Ehlert: „Die Vögel verdrängen bisher keine anderen Arten.“ Deshalb seien sie im Grunde eine Bereicherung. Im Mai beginnen Großmöwen zu brüten. Dann kann es sein, dass Menschen hoch oben auf Flachdächern Möwen-Nester finden. „Die Tiere sind dort vor Großstadt-Gefahren wie Katzen geschützt“, sagt Ehlert. Er bittet alle, die ein Großmöwen-Nest entdecken, ihren Fund bei der Senatsverwaltung für Umwelt zu melden.