Das Kottbusser Tor in der Abenddämmerung. Eine geplante Polizeiwache am Kottbusser Tor, im Zentrum von Berlins Alternativ-Bezirk Kreuzberg, soll für mehr Sicherheit sorgen.
Das Kottbusser Tor in der Abenddämmerung. Eine geplante Polizeiwache am Kottbusser Tor, im Zentrum von Berlins Alternativ-Bezirk Kreuzberg, soll für mehr Sicherheit sorgen. Christoph Soeder/dpa

Es ist kalt und windig in Berlin-Kreuzberg, ein früher Abend im Januar. Hasan hat seine Hände in den Jackentaschen versenkt, während er unter der künftigen Polizeiwache hindurch auf der Adalbertstraße Richtung Kottbusser Tor läuft. „Ich finde eine Polizeistation besser als das Wettbüro hier“, meint er, „davon haben wir genug.“ Hasan, Anfang 30, trägt eine dunkle Winterjacke und einen gepflegten Fünftagebart. „Da vorne steht ein kleiner Junge“, sagt er und nickt in Richtung eines Jugendlichen an der U-Bahn-Station. „Die kommen hier früh mit Drogen in Kontakt.“ Mehr Polizei könne da durchaus helfen.

Lesen Sie auch: Horoskop für heute: Dienstag, der 14. Februar 2023: So wird der Tag – laut Ihrem Sternzeichen >>

Das sieht nicht jeder so am Kottbusser Tor, einem Platz mit Hochhäusern und Altbauten und zugleich dem zentralen Umsteigebahnhof in Kreuzberg. Die U-Bahnen aus Mitte, Neukölln, Friedrichshain und Schöneberg treffen hier zusammen. Aber der „Kotti“, wie inzwischen schon Polizisten und Senatorinnen sagen, ist seit Jahrzehnten auch ein Symbol. Für das alte Kreuzberg der Hausbesetzer, Demonstrationen und langen Kneipennächte. Für verfehlte Stadtpolitik der Vergangenheit und die Erneuerung der Hauptstadt mit teuren Mieten, Touristen und Partys. Und für Kriminalität und Drogenhandel.

Am Mittwoch öffnet die Polizeiwache am Kottbusser Tor

Am 15. Februar öffnet nach langen Debatten am Kottbusser Tor eine kleine Polizeiwache, die „Kotti“-Wache, wie Medien das Projekt nennen. Als Standort ausgesucht wurde eine prominente Stelle: der 1. Stock eines Hochhauses direkt über der Adalbertstraße mit ihren Imbissen und Kneipen, unmittelbar neben dem beliebten Café Kotti. Rund um die Uhr sollen dort in mehreren Schichten jeweils drei Polizisten arbeiten. Allzu viele Bewerbungen gab es innerhalb der Polizei aber nicht.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte kürzlich bei einer Besichtigung: „Es braucht ein klares Zeichen, dass der Rechtsstaat nicht zurückweicht.“ Nötig sei für den Platz jedoch ein Gesamtkonzept mit Sozialarbeit und Prävention. „Natürlich sind die Probleme nicht weg, weil hier eine Wache ist.“

Franziska Giffey (l.) spricht mit Iris Spranger und Steffen Dopichay (r.), Leiter der Polizeidirektion, am Empfangstresen bei einem Besuch der neuen Polizeiwache am Kottbusser Tor.
Franziska Giffey (l.) spricht mit Iris Spranger und Steffen Dopichay (r.), Leiter der Polizeidirektion, am Empfangstresen bei einem Besuch der neuen Polizeiwache am Kottbusser Tor. Carsten Koall/dpa

Allerdings spaltet die Polizeiwache Nachbarschaft, Geschäftswelt und Besucher. Manche hoffen auf mehr Sicherheit und weniger Süchtige, Müll und Dreck in den Hausfluren. Besonders Frauen und Jugendliche hätten derzeit Angst, abends hinunterzugehen, sagen Hausbewohner.

Ein anderer Teil ist gegen viel Polizei vor Ort. „Alle wollen mehr Sicherheit, aber nicht auf dem Weg“, sagt eine Sozialarbeiterin, Anfang 60, zu den Plänen. „Und von oben herab schon mal gar nicht.“ Sie habe viel mit Nachbarn geredet, sagt sie und zeigt auf das Hochhaus, das sich monumental über der Straße erhebt. „Vor einigen Jahren stand hier regelmäßig übers Wochenende ein Polizeiwagen. Und das war ’ne super Lösung, mit der alle gut klarkamen. Die waren immer ansprechbar.“ Sie befürchtet, die Polizisten in der neuen Wache würden kaum ihre Schreibtische verlassen, um auf der Straße unterwegs zu sein. „Die nehmen da Anzeigen entgegen, wenn man hochlatscht.“

Lesen Sie auch: Fan-Wissen kompakt: Was Sie garantiert nicht über „Let’s Dance“-Profi Zsolt Sándor Cseke wussten >>

Polizeiwache am Kottbusser Tor kostete 3,5 Millionen Euro

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagt, trotz intensiver Suche und Anwohnerbeteiligung habe man keine andere Stelle für die Wache gefunden. Spranger will die sichtbare Präsenz der Polizei in der Stadt erhöhen. Die 3,5 Millionen Euro teure Wache mit einigen Polizisten, moderner Technik und Fenstern aus Sicherheitsglas soll dafür ein Symbol sein.

Außer dem Drogenhandel am „Kotti“ gibt es auch viele Diebstähle und kleinere Überfälle, Betrunkene schlagen sich, der eine oder andere Tourist wird ausgeraubt, sexuelle Übergriffe kommen vor. Es ist die übliche Alltagskriminalität an großen Umsteigebahnhöfen, sozialen Brennpunkten und in Gegenden mit vielen Kneipen. Am Kottbusser Tor kommt alles zusammen, die Polizei stuft die Gegend als „kriminalitätsbelasteter Ort“ ein. Hier dürfen Polizisten ohne besondere Anlässe Menschen kontrollieren.

Lesen Sie auch: Mann sammelt mehr als 150.000 Euro, damit ein 82-Jähriger endlich in den Ruhestand gehen kann >>

Ein Polizist steht am Kottbusser Tor.
Ein Polizist steht am Kottbusser Tor. Christophe Gateau/dpa

Einen Raum für Drogensüchtige, Sozialarbeiter und seit kurzem auch Toiletten gibt es bereits. Initiativen fordern aber mehr soziale Maßnahmen gegen die Probleme. Tatsächlich zieht sich die Drogenszene von Friedrichshain und Neukölln über Kreuzberg bis nach Mitte – das Kottbusser Tor ist eine Drehscheibe. Dass mehr Drogenräume, WCs und Betreuung weitere Junkies und Kriminalität anziehen könnten, wird von Kreuzberger Politikern nur unter der Hand geäußert.

Geteilte Meinungen über Polizeiwache am Kottbusser Tor

Gegen die Polizeiwache mobilisiert seit langem auch die linksradikale Szene, die Kreuzberg als ihr Revier sieht, obwohl die meisten Mitglieder dort längst nicht mehr wohnen. Auch im Café Kotti neben der künftigen Wache findet eine junge Kellnerin die Pläne „scheiße“. Das nehme den Leuten den „Safe Space“, sagte sie – und meint wohl nicht die Familien mit Kindern in der Nachbarschaft. Ihre Lösung: Wer sich am Kottbusser Tor nicht wohlfühle, „muss ja nicht herkommen“.

Ercan Yasaroglu, lange grau-melierte Haare, und seit langem Besitzer des Café Kotti, ist in der Debatte ein gefragter Interviewpartner. Auf der Galerie vor seinem Café im 1. Stock hatte er immer Tische und Stühle stehen, im Sommer konnte man von dort das Treiben auf der Straße beobachten. Plötzlich verlange das Bauamt nun, den Balkon als Fluchtweg freizuhalten, klagt er. Er fürchtet um seine Gäste und den Fortbestand. „Wenn die alte Polizei mit ihrem Gewaltpotenzial hier auftaucht“, sagt er ganz ruhig, „ist das für das Café Kotti der Tod.“ Durch eine neue Polizeiwache würden außerdem die Immobilienpreise weiter steigen, warnt Yasaroglu. „Nach einer Wache kommt Adidas, dann Nike ...“

Einige Meter weiter unten im Erdgeschoss, steht Zarean (32) an der Kasse im Döner-Imbiss. „Sehr, sehr gut“ finde er die neue Polizeiwache. „Das funktioniert für alle gut, die nicht für Drogen hier sind“, sagt er. „Wer hier wohnt, hat ja auch Kinder.“