Flüchtlingshäuser im Hof
Pankow: Das letzte Aufbäumen im Schloßpark-Kiez
Im Oktober beginnt die Fällsaison. In Pankow rückt damit der Beginn der Bebauung zweier Höfe mit Flüchtlingsunterkünften näher. Die Anwohner veranstalten an diesem Sonntag einen vielleicht letzten Aktionstag.

Ein Datum kursiert im Pankower Schloßpark-Kiez. Am 9. Oktober sollen in zwei Hinterhöfen in der Ossietzkystraße viele Bäume gefällt werden, damit im Anschluss ein höchst umstrittenes Vorhaben verwirklicht werden kann. Zwei große, klobige Häuser in Fertigbauweise mit Platz für mehr als 400 Menschen sollen in die Innenhöfe der 50er-Jahre-Bauten gestellt werden. Möglich ist dies nur, weil der Senat sich auf das Sonderbaurecht für Flüchtlingsunterkünfte beruft. An vielen Fronten hatte das Vorhaben für Kritik gesorgt. Noch immer stellt sich der Bezirk gegen das Vorhaben, ist aber machtlos.
Seit Jahren schon streiten sich Anwohner und die Gesobau über das Ob und Wie einer Nachverdichtung. Der Protest der Anwohner war mit Konzerten und Kunstaktionen immer friedlich geblieben. Am Ende hatte man sich auf einen Kompromiss verständigt, der mit einem Baubauungsplan verwirklicht werden sollte. 60 Wohneinheiten sollten gebaut, die meisten Bäume und der Spielplatz erhalten werden. Auch namhafte Prominente machten sich dafür stark, dass in Zeiten des Klimawandels mit Augenmaß gebaut wird. Vergeblich.
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Denn die Senatsbauverwaltung zog die Joker-Karte und drückte mit Sonderbaurecht die massive Bebauung durch.
Angst, dass sozialer Brennpunkt am Schloßpark entsteht
Beim heutigen Aktionstag ist die Stimmung gedrückt. Darüber kann kein noch so köstlicher Kuchen am Kuchenstand hinwegtäuschen. „Der Kessel dampft, aber so richtig“, sagt ein Anwohner. Eine Anwohnerin bestätigt: „Ja, wir haben Angst. Das wird ein sozialer Brennpunkt werden.“ In Pankow gibt es schon jetzt von aller Infrastruktur zu wenig. Zynischerweise sollen in die neuen Häuser keine geflüchteten Familien einziehen, denn Kitas und Schulplätze sind knapp.
In eine lange Reihe von widersprüchlichen Aussagen reiht sich noch eine neue Enttäuschung: „Es sollen deutlich mehr Bäume gefällt werden als nach außen kommuniziert, und die Spielplatzfläche würde nicht vergrößert, sondern drastisch reduziert werden“, wird die Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow nicht müde, aufzuklären. Doch das eigentliche Problem ist der Vertrauensverlust. An demokratische Prozesse und eine funktionierende Mitsprache in einer Demokratie glaubt hier keiner mehr.
Mit dem Glauben an Demokratie bis zum Schluss
In einem Baumschutz-Camp aus Zelten, Strandmuscheln, Picknickdecken und Hängematten wurden Bäume mit weißer Schutzfarbe angestrichen. Bei einer Baum-Wache wurde ein offener Brief an den Regierenden Bürgermeister vorgelesen.
„Was hier geschieht, ist die Missachtung des nach jahrelangen Diskussionen von engagierten Bürgerinnen und Bürgern mit den Gremien des Bezirks Pankow erzielten Kompromisses über eine veränderte, ökologisch nachhaltige Bauplanung für den Schlossparkkiez“, heißt es in dem Brief. Dieser Kompromiss komme in dem Beschluss der BVV Pankow über die Eröffnung eines Bebauungsplanverfahrens mit einer breiten Bürgerbeteiligung zum Ausdruck. „Was jetzt geschieht, ist ein beispielloser Affront gegenüber einem gelungenen Prozess der Bürgerbeteiligung!“, schreiben die Betroffenen und viele Unterstützer.

Die Folgen des unglücklichen Agierens des ehemaligen Bausenators Andreas Geisel und seines Nachfolgers reichen aber weit über die lokale Betroffenheit hinaus: „Hier wird demokratisches Engagement entmutigt, ohne das der anstehende ökologische Wandel nicht gelingen wird“, heißt es. Zu den Erstunterzeichnern gehören der ehemalige Pankower Bürgermeister Sören Benn, die Autoren Volker Braun und Jan Faktor und der Musiker Andrej Hermlin. An diesem Sonntag sind aus der ganzen Stadt Vertreter von Bürgerinitiativen nach Pankow gekommen, um über die aktuellen Gefährdungen der Klimaresilienz durch rücksichtslose Bauvorhaben zu informieren. Überall in der Stadt geht es Menschen wie denen im Pankower Schlosspark-Kiez.
Ob man wegziehen wolle, wenn die Häuser gebaut sind? Ja, sagen einige. Ein paar sind schon gegangen. Wie soll Integration gelingen, wo Hilflosigkeit und Frustration herrschen? Eine Kolonialisten-Mentalität von Westlern dem Osten gegenüber, wo besonders viel verdichtet wird, diagnostizieren sie hier, als Die Zöllner als Trio Infernale auf der bedrohten Fläche aufspielen. Viel Zeit bleibt nicht, bis durch Abholzung Fakten geschaffen werden.