Krankenpfleger klagt an: „Schwerkranke konnten dem Lärm nicht entkommen“
Martin P. arbeitet als Pflegehelfer im Vivantes-Klinikum am Urban. Direkt vor der Klinik fand die aus dem Ruder gelaufene Demo statt. Er erzählt, was die Protest-Aktion für die Patienten und Pfleger bedeutete.

Die Demonstration, die am Sonntag auf dem Berliner Landwehrkanal außer Kontrolle geriet, erhitzt die Gemüter. Immer wieder zum Thema wird vor allem der ungünstig gewählte Endpunkt, an dem nach der Protest-Aktion munter gefeiert wurde: Der Kanal vor dem Klinikum Am Urban. Nun meldet sich ein Pfleger zu Wort und klagt an: Die Veranstalter hätten sich „absolut respekt- und rücksichtslos“ verhalten.
Martin P. (48) arbeitet als Pflegehelfer in der Klinik, die zum Vivantes-Konzern gehört – und war im Dienst, als auf dem Kanal vor der Klinik die Party stieg. „Stundenlang wurde das Haus mit extrem lauter Musik beschallt, so dass es für die zum Teil schwer kranken Menschen dort absolut keine Möglichkeit gab, diesem Lärm zu entkommen“, schreibt er in einer E-Mail an unsere Redaktion. „Gerade Bettlägerige konnte sich eben nicht so einfach in andere Bereiche des Hauses zurückziehen.“ Besonders dramatisch: „Wir haben dort, genau zu der Seite, wo diese unsägliche Veranstaltung stattfand, unsere Palliativabteilung und unsere Kardiologie, wo sich unter anderem Menschen von Herz-OPs oder Infarkten erholen müssen und dringend Ruhe brauchen.“
Wir haben dort, genau zu der Seite, wo diese unsägliche Veranstaltung stattfand, unsere Palliativabteilung und unsere Kardiologie, wo sich unter anderem Menschen von Herz-OPs oder Infarkten erholen müssen und dringend Ruhe brauchen.
Martin P., Pfleger bei Vivantes
Vor allem die Patienten, die von den Pflegern auf der Palliativstation beim Sterben begleitet werden, seien durch die Situation extrem gestresst worden. „Ständig wurden ich und meine Kollegen von Patienten darum gebeten, etwas gegen diesen Lärm, der zum Teil die Scheiben vibrieren ließ, zu unternehmen“, schreibt P. Er übt schwere Kritik an den Veranstaltern. „Diese Möchtegern-Kreativen der Clubszene fordern Respekt und begegnen kranken Menschen derart respektlos?“ Für viele Menschen sei der Pfingstsonntag ein Tag gewesen, der Erholung kaum möglich machte und den Pflegekräften den sowieso anstrengenden Job erschwerte. Er wünsche sich, dass diese Stimmen in der Aufarbeitung der Aktion gehört werden. Bei Vivantes selbst wollte man die Ereignisse auf KURIER-Nachfrage nicht kommentieren.
Auch von anderen Seiten hagelt es Kritik am gewählten Ort, etwa beim Club-Magazin The Clubmap. Hier wird kritisiert, dass die Demo vor dem Urban-Krankenhaus endete, dass hier munter gefeiert wurde. „Die Aktion direkt vor dem Urban-Krankenhaus war unverantwortlich. Diese Bilder kommen natürlich auch in der Politik an, und werden für die, die sich gerade für Nothilfen einsetzen, nicht gerade förderlich sein“, heißt es auf der Facebook-Seite des Magazins. „Das ist unbestreitbar keine schützenswerte Kultur, die sich selbst oder andere nicht schützen kann oder will. Sollte von diesem Tag zusätzlich eine Corona-Ansteckungslinie nachverfolgbar sein, wird der gesamte Clubbetrieb noch länger geschlossen bleiben und Lockdown Nr. 2 wird letztlich alles hinwegraffen.“
Auch in einer Stellungnahme der Organisatoren wurde das Thema am Montag bereits angesprochen. „Wofür wir uns ganz deutlich entschuldigen möchten, ist der mehr als schlecht gewählte und symbolisch völlig unangemessene Demo-Endpunkt vor einem Krankenhaus“, heißt es auf der Facebook-Seite „Rebellion der Träumer“, auf der die Ankündigung zur Protest-Aktion veröffentlicht wurde. „Das hätten wir und die anderen beteiligten Akteure besser machen müssen. Dies tut uns leid und dafür möchten wir uns aufrichtig entschuldigen.“