Bezirk stellt ganzen Wohnblock unter Quarantäne
Hunderte Mieter dürfen ihre Häuser nicht mehr verlassen und werden auf eine Infektion getestet.

Erstmals seit Beginn der Corona-Krise wird in Berlin ein ganzer Wohnblock unter Quarantäne gestellt. Hunderte Mieter von Häusern an der Harzer Straße, Ecke Treptower Straße, in Neukölln sind betroffen. Sie dürfen ihre Wohnungen für 14 Tage nicht mehr verlassen und keinen Besuch empfangen. Bisher wurden etwa 50 Mieter positiv auf das Coronavirus getestet.
Das Gesundheitsamt Neukölln arbeitet daran, die Ursache des Corona-Ausbruchs in dem Wohnviertel zu ermitteln. Eine wichtige Spur könnte nach ersten Erkenntnissen sein, dass in den betroffenen Häusern viele rumänische Bewohner leben. Dieses Merkmal verbindet den Neuköllner Fall zumindest mit festgestellten Corona-Ausbrüchen in Spandau und Wedding. Dort mussten bereits ganze Hausgemeinschaften auf das Virus getestet werden.
Schulen in drei Bezirken betroffen
Dass in Berlin vermehrt Neuinfektionen in rumänischen Familien auftreten, war den Bezirksämtern zunächst bei Schulkindern aufgefallen. An Schulen in Spandau, Neukölln und Mitte mussten betroffene Jungen und Mädchen in Quarantäne geschickt werden. Die Fälle könnten, wie berichtet, zumindest teilweise zusammenhängen. Eine unbestätigte Theorie der Behörden ist, dass ein infizierter Pfarrer, der inzwischen in einem Krankenhaus liegt, bei Besuchen in mehreren Gemeinden oder bei einem Gottesdienst andere infiziert haben könnte.
Der Neuköllner Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) spricht angesichts der verhängten Quarantäne für einen ganzen Wohnblock von einer „neuen Qualität in der Corona-Krise“. Wichtiger als die Ursachenforschung sei allerdings die Eindämmung der Ansteckungsgefahr. Der Bezirk habe am Wochenende vor der Entscheidung gestanden, wahlweise die Mietshäuser unter Quarantäne zu stellen oder die Schulen zu schließen, die von betroffenen Kindern besucht werden. „Dies wären neun oder zehn Schulen gewesen“, so Stadtrat Liecke. Am Ende habe man sich zu Quarantänemaßnahmen im Wohnblock entschlossen.
Bezirksamt schafft bis zu 300 Abstriche pro Tag
Die Bewohner der betroffenen Häuser an der Harzer Straße sollen nun auf eine Infektion mit dem Coronavirus untersucht werden. Darüber wurden sie bereits am Wochenende persönlich informiert. Das Bezirksamt Neukölln kann mit seinen sechs mobilen Teams und dem Testzentrum am Hotel Estrel etwa 200 bis 300 Abstriche pro Tag nehmen.
„Wir sind in Gesprächen mit allen Fachbereichen einschließlich Sozialarbeitern, Polizei, Schulen und Gesundheitsverwaltung, um das Ausbruchsgeschehen einzudämmen“, sagt Stadtrat Liecke. Eine Herausforderung sei es, bei der Ansprache der betroffenen Bürger die Sprachbarriere zu überwinden. Man müsse erläutern, dass eine verhängte Quarantäne auch bedeute, nicht zur Arbeit gehen zu können. Als Erleichterung für die Dauer der Maßnahmen wolle der Bezirk außerdem Hilfe bei der Lebensmittelversorgung organisieren, so Liecke.
Quarantäne-Kontrollen geplant
Nach den ersten Aufklärungsgesprächen zwischen Bürgern und Sozialarbeitern soll die Einhaltung der Quarantäne auch konkret kontrolliert werden. „Wenn es Meldungen über Quarantänebrecher gibt, werden diese gezielt durch das Gesundheitsamt oder Sozialarbeiter angesprochen“, sagt Liecke. Man wolle auch in den Gastro-Einrichtungen im Kiez kontrollieren, ob dort Quarantänebrecher anzutreffen sind. Im Ernstfall müsse die Polizei intervenieren. „Wir werden allerdings niemanden in Handschellen abführen lassen“, so Liecke.
Das Thema der verstärkten Corona-Ausbrüche in rumänischen Communities beschäftigt auch andere Städte: In Magdeburg seien mehrere Familien aus unterschiedlichen Stadtteilen betroffen, berichtet die „Volksstimme“. Ein Zusammenhang mit den Berliner Fällen ist allerdings nicht bekannt.