Dieser und ein weiterer Innenhof soll mit einer fünfstöckigen Flüchtlingsunterkunft bebaut werden. 
Dieser und ein weiterer Innenhof soll mit einer fünfstöckigen Flüchtlingsunterkunft bebaut werden.  Benjamin Pritzkuleit

Im Krimi um die Nachverdichtung von Innenhöfen in Berlin Pankow will der Senat offenbar bald Nägel mit Köpfen machen und das Vorhaben genehmigen. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage des Pankower CDU-Politikers Johannes Kraft an den Bausenat hervor.

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Zwei Wohnblöcke aus Fertig-Beton-Teilen sogenannte MUFs für 422 Geflüchtete sollen in den Innenhöfen entstehen. Fünf Stockwerke hoch werden sie die umgebenden Bauten, die 1957 mit dem Nationalen Aufbauwerk errichtet wurden, überragen.

Demokratisch erarbeiteter Kompromiss droht übergangen zu werden

Seit vielen Jahren diskutieren Anwohner und Politik darüber, wie hier nachverdichtet werden kann. Ein Bebauungsplan ist in der Pankower BVV in Arbeit und soll sozial und ökologisch verträgliches Bauen organisieren. „Der B-Plan sieht als Kompromisslösung eine moderate Bebauung (auch zur Unterbringung von Geflüchteten), die Sicherung des dringend benötigten öffentlichen Kinderspielplatzes und einen den Anforderungen der Klimaanpassung gerechten Umgang mit dem Grün- und Baumbestand vor“, heißt es von der Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow. Der „Klima-B-Plan“ des Bezirks Pankow biete eine für alle Seiten gesichtswahrende Kompromisslösung. 

Doch der Senat rückt nun mit dem Holzhammer an. In der Anfrage des Pankower CDU-Abgeordneten an das Abgeordnetenhaus heißt es zur Begründung für den schnellen Bau nach Sonderbaurecht:

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„Das Land Berlin muss neben den Belangen der hier lebenden Menschen auch der Verpflichtung zur Unterbringung von Geflüchteten nachkommen. Die aktuelle Flüchtlingssituation macht deutlich, dass die Beschleunigung für die Erstellung von Unterkünften für Geflüchtete dringend erforderlich ist. Der Krieg in der Ukraine hat die angespannte Situation noch verschärft. Der Bedarf an Unterbringungsplätzen für Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine hat ebenfalls massiv zugenommen.“

Mit Entspannung der Lage ist nicht zu rechnen 

Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales habe am 04.11.2022 den Notfallplan für die Unterkünfte des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF-Unterkünfte) in der Stufe 2 ausgerufen, da die Kapazitäten für die Unterbringung inzwischen erschöpft sind und mit einer Entspannung der Lage nicht zu rechnen ist.

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„Der Senat hat daher  die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und somit auch die Gesobau AG beauftragt, schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen, um geflüchteten Menschen eine würdige Unterkunft zur Verfügung stellen zu können“, heißt es in der Antwort weiter. 

Schneller Baustart in Pankow 

Da es für das Grundstück im Schloßpark-Kiez bereits eine fertig geprüfte Planung gebe, könne relativ zeitnah mit der Bebauung begonnen werden.

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Dass mit dem Bau immer neuer Blöcke Stadtgrün und damit Klima-Resilienz zerstört wird, nimmt man in Kauf. Die kurzfristigen Probleme am Wohnungsmarkt scheinen dringlicher. Mit dem nahegelegenen Schlosspark Schönhausen sei die Grünversorgung des Gebietes ja weiterhin gesichert. Dass der durch den Bau gefährdetet Spielplatz auf den Höfen relevant für die Betriebserlaubnis mehrerer umliegender Kinderläden ist, ficht den Senat nicht an. 

Der Spielplatz auf einem der Höfe wird von umliegenden Kinderläden genutzt. Auch er soll zugebaut werden. 
Der Spielplatz auf einem der Höfe wird von umliegenden Kinderläden genutzt. Auch er soll zugebaut werden.  Benjamin Pritzkuleit

Flüchtlinge ja, aber keine Kinder 

Auf den Einwand von Bezirk und Anwohnern, im Gebiet seien Schulen und Kitas bereits übervoll, räumt der Senat ein, dass die Belegung der MUF-Standorte mit Familien mit schulpflichtigen Kindern im Grundschulalter schwierig wäre. Flüchtlinge ja, aber ohne Kinder, so der neue Plan.

Anwohner, die anmahnen, dass hier demokratische Prozesse ad absurdum geführt werden, werden in die weitere Planung nicht einbezogen, man wolle die fertigen Bauten dann bei einem Tag der offenen Tür vorstellen.

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Dass die Anwohner während des langwierigen Planungsverfahrens seit 2017 die Bebauungsvariante, die nun realisiert werden soll ausgewählt haben, wie in der Antwort des Senats zu lesen ist, muss wie Hohn in ihren Ohren klingen.  Sie protestieren seit Jahren mit Konzerten, Plakaten, Mahnwachen und Menschenketten gegen die Bebauung in den ohnehin schon stark nachverdichteten Gebiet. Am Sonntagnachmittag gibt es eine neue Mahnwache gegen die Pläne des Senats. Hausbesitzer erwägen, eine Klage anzustrengen.

Unredliches Vorgehen, Bürger haben Angst und Albträume 

In der letzten Pankower BVV-Sitzung zum Thema stellte Lars Bocian (CDU), klar,  dass er das Vorgehen des Senats als unredlich empfinde. Über das umstrittene Bauprojekt dürfe nicht entschieden werden, bis die neue Regierung gebildet sei.

Auch die bündnisgrüne Fraktion in Pankow fordert, dass der Senat statt des Bauvorhabens im Schlosspark-Kiez  endlich eine andere lang geplante Unterkunft an der Fröbelstraße einrichtet, statt Politik gegen Bezirk und Bürgern und Bürgerinnen zu machen. „Es sieht so aus, als instrumentalisiere der Senat Flüchtlinge, um demokratische Entscheidungen und  Bürgerbeteiligung zu umgehen“, sagt Hannah Wettig, Fraktionsvorsitzende und flüchtlingspolitische Sprecherin der bündnisgrünen Fraktion. „Das Vorhaben widerspricht jedem Integrationsgedanken.“

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Die Fröbelstraße 15 biete eine hervorragende Alternative zu den Innenhöfen im Schlossparkkiez für den Neubau von MUFs, erläutert Co-Vorsitzende der Grünen Almuth Tharan. „Hier könnten wesentlich mehr Unterkünfte entstehen und zusätzlich eine Kita und Wohnraum für Berliner und Berlinerinnen. 

Die Anwohner, die  seit Langem im Unklaren über ihre Wohnverhältnisse sind, fürchten nun täglich, dass Kettensägen anrücken und unumkehrbare Tatsachen schaffen. „Viele können nicht schlafen und haben Albträume. Viele Anwohner und Anwohnerinnen fühlen sich verdrängt und machen sich bereits auf die Suche nach einer anderen Wohnung“, so Mitglieder der Bürgerinitiative. 

Zahlreiche Baumpaten haben einen offenen Brief verfasst. Darunter prominente wie Schauspielerin Jasmin Tabatabei, Franziska Schwarzbach, Bildhauerin, Annett Gröschner, Schriftstellerin, Andreas Pietschmann, Schauspieler, Ulrike Petersen, stellv. I. Konzertmeisterin Konzerthausorchester Berlin, Ruth Misselwitz, Pfarrerin i.R., Dr. Hans Misselwitz; Staatssekretär a.D., Dr. Christoph Links, Publizist, Peter Wawerzinek, Schriftsteller und viele andere. Am Sonntag 17 Uhr wollen sie weiter kreativ protestieren, mit einer Lesung und Lagerfeuer.