Einzelhandel
Jedes zweite Geschäft vor dem Aus
Die fehlenden Touristen werden zum existentiellen Problem.

Vier Wochen ist es nun her, dass fast alle Geschäfte wieder ihre Türen öffnen dürfen. Im deutschen Einzelhandel ist die Lage aber auch nach dem Ende der verordneten sechswöchigen Ladenschließungen weiterhin dramatisch. „Es werden nur Bedarfskäufe getätigt, mehr nicht“, sagte Stefan Genth, Chef des Einzelhandelsverbands, am Freitag. Der Handel leide nach wie vor massiv an schwachen Umsätzen und unter geringen Kundenfrequenzen. Jedes dritte Unternehmen sehe laut einer Branchenumfrage des Verbandes seine Existenz „massiv bedroht“.
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Und in Berlin? „Nicht besser, eher schlechter“, sagt Nils Busch-Petersen, Regionalchef des Verbandes. Die Lage sei „extrem kritisch“. Stadtweit würde in den Läden, Einkaufscentern und Warenhäusern bestenfalls die Hälfte der Umsätze erzielt werden, die man in Vor-Corona-Zeiten hatte. Nahversorger wie etwa das Ring-Center in Lichtenberg oder das Gropius-Center würden vielleicht auf 65 Prozent kommen. In den touristischen Hotspots die Stadt seien die Verluste umso größer.
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Das belegt auch eine aktuelle Analyse des Unternehmens Hystreet, das auf die Messung von Kundenfrequenzen spezialisiert ist. Das Unternehmen hatte am ersten Maiwochenende dieses Jahres die Passantenzahl in wichtigen deutschen Einkaufsstraßen ermittelt und mit Zählungen am gleichen Wochenende des Jahres 2019 verglichen. Ergebnis: Auf keiner anderen Shopping-Meile im Land war der Passantenschwund größer als am Kurfürstendamm in Berlin. Während etwa die Zahl auf der Düsseldorfer Königsallee um 50 Prozent zurückging, waren im Vergleichszeitraum auf dem Kudamm 63 Prozent weniger potenzielle Kunden unterwegs.
Bundesweit jeder zehnte Einzelhändler von Insolvenz bedroht
Busch-Petersen taxiert die Umsatzrückgänge in den üblicherweise von Touristen bevorzugten Einkaufsschwerpunkten wie Kudamm, Potsdamer Platz, Alexanderplatz oder Friedrichstraße derzeit auf 65 Prozent. „Das reicht nicht aus, um Existenzen zu sichern.“ Nach seiner Einschätzung ist insgesamt etwa jedes zweite Geschäft existenzgefährdet.
Bundesweit sieht sich jeder zehnte Einzelhändler von Insolvenz bedroht. Das ergab jedenfalls eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Von den Anfang Mai befragten 10.000 Firmen gab zugleich ein knappes Drittel der Händler an, so stark von der Krise betroffen zu sein, dass sie Personal abbauen müssten. Die Unternehmen leiden unter der eingebrochenen Nachfrage bei gleichbleibend hohen Kosten. 78 Prozent der Einzelhändler rechnen mit einem Umsatzrückgang.
Regelung für Sonntagsöffnung bis zum Jahresende lockern?
Für den Berliner Handels-Cheflobbyisten Busch-Petersen ist die Situation seiner Branche nach dem Ende des Lockdowns wie ein „Marathon in der tibetischen Hochebene ohne Sauerstoffgerät“. Er weiß, dass Kurzarbeit und zunehmende Arbeitslosigkeit in der Stadt auch auf den Handel wirken werden. Natürlich ist er für mehr finanzielle Unterstützung vom Staat. Er plädiert aber auch dafür, die Regelung für Sonntagsöffnung wenigstens bis zum Jahresende zu lockern, damit die Läden in der City zumindest von den wenigen zu erwartenden Touristen profitieren können.
Dafür hatten sich zuvor auch FDP-Politiker und die hiesige Industrie- und Handelskammer ausgesprochen. Bei der Gewerkschaft Verdi trifft der Vorschlag indes auf Ablehnung. Die schrittweise Ausweitung der Ladenöffnungszeiten in den vergangenen drei Jahrzehnten habe die Arbeitsbedingungen durch die Arbeit zu ungünstigen Zeiten für viele erheblich verschlechtert, heißt es in der Berliner Bezirkszentrale von Verdi. „Corona ist kein Argument, die Belastung der Kollegen weiter zu erhöhen“, erklärt Gewerkschaftssprecher Andreas Splanemann.