Dem Kiezladen steht das Wasser bis zum Hals, deswegen gibt es am Samstag einen Flohmarkt. Chef Benjamin Doll (40) kämpft für sein Geschäft.
Dem Kiezladen steht das Wasser bis zum Hals, deswegen gibt es am Samstag einen Flohmarkt. Chef Benjamin Doll (40) kämpft für sein Geschäft. Sabine Gudath

Irgendwie ist der Kiezladen von Benjamin schon immer da gewesen. Ganz früher gab es an der Ecke Wolfshagener Straße im Schlosspark-Kiez einen Obst- und Gemüse-Laden, der Inhaber trug einen blauen Kittel, im Sommer guckten nackte Beine in Sandalen unten raus. Als Pankow hip wurde, wurde es auch der Kiezladen.

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Man konnte Milchkaffee auf Bänken in der Sonne vor dem Laden trinken, Mütter mit Kindern machten Halt auf dem Weg von der Kita. An guten Tagen wimmelte es vor dem Laden, ein kleiner emsiger Bienenstock, der brummte. 

Kleine Tante-Emma-Läden in der Krise 

So hätte es immer weitergehen können, doch heute kämpft der Besitzer des Ladens, Benjamin, darum, dass der Kiez sein kleines Zentrum behalten kann. Pakete versenden, Kaffee trinken, ein Eis kaufen, frische Brötchen und ein Grundsortiment an Lebensmitteln in Bioqualität. Das ist das Geschäftskonzept. Es war schon immer auf Kante genäht, in der Krise geht es nicht mehr auf.

Für Samstag hat Benjamin Doll noch einmal Ware bestellt, dafür Kredit aufgenommen. 
Für Samstag hat Benjamin Doll noch einmal Ware bestellt, dafür Kredit aufgenommen.  Sabine Gudath

Benjamin haben die letzten Sommerferien in Schwierigkeiten gebracht. Seine Kunden, die für ausreichend, aber nie wirklich komfortablen Umsatz sorgten, fuhren nach zwei Jahren Corona-Pause allesamt in die wohlverdiente Erholung. Benjamin in Pankow blieb auf seiner Ware sitzen. „Es gab Tage, da kam stundenlang kein Kunde in den Laden“, erinnert er sich. Ein Kreislauf begann, dem er wenig entgegenzusetzen hatte. Kein Umsatz, keine neue Ware. Immer weniger lag in den letzten Wochen in den Regalen des Ladens.

Steigende Preise belasten Händler

Leeren Kühlschränken zog er den Stecker. Denn die laufenden Kosten wie Miete und die Gehälter von zwei Teilzeitmitarbeitern mit gestiegenem Mindestlohn mussten ja weiter bezahlt werden. Die jetzt exorbitant gestiegenen Preise für Energie hat Benjamin da noch nicht einmal einkalkuliert.

Stammkundin Ilona (64) wird spenden, damit es das Geschäft weiterhin gibt.
Stammkundin Ilona (64) wird spenden, damit es das Geschäft weiterhin gibt. Sabine Gudath

„Er mache das aus Leidenschaft für den Kiez. Weil der ein Zentrum braucht, in dem man sich trifft“, sagt Benjamin. Und die Menschen lieben den kleinen Laden. So haben sich einige Kunden zusammengetan, machen Werbung, hängen Zettel auf, sammeln Spenden. „Manche haben schon Dinge gekauft, die sie gar nicht brauchen, um zu unterstützen“, weiß Benjamin. Doch immer mehr Kunden schauen aufs Geld, kaufen lieber günstiger bei Discounter, auch die großen Bio-Lebensmittelhändler spüren den Umsatzrückgang.

Spenden-Flohmarkt am Samstag in Pankow

Doch im Kiez wollen sie nicht einfach so aufgeben. An diesem Samstag gibt es einen letzten Versuch, das Ruder noch einmal herumzureißen. Flohmarkt, Weinverkostung und neue Ware, die Benjamin auf Kredit gekauft hat. „Um den Motor doch noch einmal anzukurbeln“, sagt er.

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So wie Benjamin geht es vielen Inhabern kleiner Läden in der Stadt. Private Bäckereien, die die Energiekosten für die Backöfen nicht an die Kunden weitergeben können, weil keiner ein Brot für acht Euro kaufen würde, Cafés, die kein Personal finden und Öffnungszeiten reduzieren, Spätis, Friseure, Buchhändler: sie alle sind darauf angewiesen, das Kunden ihren Wert für ganze Viertel erkennen und weiterhin einkaufen. Kein seelenloser Supermarkt macht das Berliner Kiezgefühl aus. Sondern all die kleinen Läden, die gerade ziemlich zu kämpfen haben. 

Spenden-Flohmarkt: Samstag 10 bis 16 Uhr, Kiezladen Wolfshagener Straße 85, 13187 Berlin