Draußen, trotz Corona : Polizei misst mit dem Zollstock, ob Sonnenhungrige Abstand halten
„Ja, sie sind artig.“ Die Brandenburger Polizistin, die neben dem an Berlin verborgten Lautsprecherwagen am Mauerpark steht, hat am sonnigen Sonnabend am Verhalten der Spaziergänger nichts auszusetzen. „Sie halten die Abstände ein.“ Ein Eindruck, der sich bei einem Spaziergang des KURIER in mehreren Parks weitgehend bestätigt. Die meisten achten auf die Corona-Sicherheitsmaßnahmen. Nur am Wasserturmplatz in Prenzlauer Berg wird es voller und enger, nachdem die Polizei samt Zollstock (1,50 Meter Abstand?) wieder abgerückt ist.

Berlin - Im Treptower Park sind mittags etliche Menschen unterwegs – er ist belebt, aber nicht voll. Radler, Spaziergänger und Jogger, Paare – teilweise auch sie auf Distanz – genießen unter dem mit einigen Wolken gesprenkelten Himmel die Sonne. Unklar, ob es Einsicht ist oder die Berliner Bußgeld-Drohung mit mindestens 25 Euro, wenn mehr als zwei nicht in einem Haushalt lebende Menschen dicht zusammenstehen oder -gehen.
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Eine Familie aus Neukölln mit zwei Töchtern (2, 5) hat sich auf einer Bank niedergelassen, die Eltern entspannen sich von der Kombination Kinderbetreuung – Homeoffice. Die Mutter, eine Sozialpädagogin: „Die Kinder kommen mit der Situation besser zurecht als die Erwachsenen.“ Sie nehme aber wahr, dass sich die meisten an die Abstandsregeln halten und höchstens zu zweit unterwegs sind.

Im Mauerpark gibt es große Lücken zwischen den Menschen, junge Leute machen Gymnastik, eine Familie lässt einen Drachen steigen, und ja, manchmal kommen sich kleine Gruppen beim Fußballspiel zu nahe. Die Polizei, zu Fuß und in einer „Wanne“ unterwegs, lässt sie gewähren, der Lautsprecherwagen kommt bis zum frühen Nachmittag nicht zum Einsatz, um zu mehr Abstand aufzufordern.

Einen Einsatz dagegen hat die Polizei im wenig besuchten Volkspark am Weinberg – und der hat nichts mit Corona zu tun. Ein Japaner wird in Handschellen gelegt, nachdem er eine Frau in den kleinen Teich gestoßen hat. Triefnass geht sie eilends nach Hause, nachdem die Anzeige wegen Körperverletzung aufgenommen ist.

Heinrich Heine bekommt davon nichts mit. Sein Denkmal wendet der Szene den Rücken zu, ist gleichzeitig zum Warnzeichen verwandelt: Jemand hat seinem Gesicht eine Maske umgehängt. Zwei Männer, die trotz der nahen Polizei dicht nebeneinander auf einer Parkbank sitzen, nehmen das nicht ernst, machen über Corona Witze.

Am Wasserturm in Prenzlauer Berg gehen derweil mehrere Polizisten Streife. Einer holt einen Zollstock raus, um den Abstand zwischen zwei Parkbesuchern zu messen. Eine Polizeisprecherin: „Es gab ein Gespräch der Kollegen mit den Bürgern, die auf der Bank saßen. Einer der Herren fragte, was denn passiert, wenn es bei der Frage, ob man weit genug auseinander sitzt, hart auf hart kommt. Da hat ein Kollege den Zollstock herausgeholt.“ Solange die Beamten in Sichtweite sind, bleibt der Park relativ leer – als sie weg sind, füllt er sich wieder.
Im Tiergarten wiederholt sich das Bild aus Mauer- und Treptower Park: Belebt, aber nicht voll. Julia (39), die auf einer Wiese Frühlingsblumen fotografiert: „Seit der Fernsehansprache von Angela Merkel Mitte März habe ich den Eindruck, dass es leerer geworden ist, und dass höchstens Haushaltsgrüppchen unterwegs sind.“

Die Freundinnen Jutta und Gudrun jedenfalls haben die Warnungen verinnerlicht, sitzen an je einem Ende einer Bank. Gudrun findet, dass die Berliner ganz gut mit der Corona-Lage zurechtkommen: „Es ist schön, wenn die Menschen mit einem Lächeln ausweichen, um den Abstand zu wahren.“
Am Sonntag soll das Wetter noch schöner werden - mal sehen, ob die Berliner dann immer noch artig sind.
Dieser Artikel wurde am Sonntag aktualisiert, nachdem die Polizei den Vorgang am Wasserturm recherchiert hatte.