Dörpfeldstraße in Treptow: Nach der Krise der große Umbau zur Flaniermeile
Sie soll das neue Zentrum im Südosten Berlins werden – die Dörpfeldstraße. Die Einzelhändler haben der Coronavirus-Krise getrotzt. Nun wollen sie auch den Umbau ihrer Straße überleben.

Wer als Radfahrer, Fußgänger oder Autofahrer die verkehrsreiche Dörpfeldstraße in Adlershof im Bezirk Treptow-Köpenick benutzt, der weiß um die Schwächen der Einkaufsstraße. Radwege gibt es nicht. An den Straßenrändern wird oft dort geparkt, wo es verboten ist. Rad- und Autofahrer müssen die Wildparker auf engstem Raum umfahren.
Das wird auf der so und so schon schmalen Straße nicht selten zur Gefahr, denn für die Straßenbahn, die in beide Richtungen fährt, ist nur ein Gleis vorhanden. Ortsfremde Autofahrer sehen sich somit manchmal einer herannahenden Bahn gegenüber, müssen gezwungenermaßen anhalten und den Rückwärtsgang einlegen. Zwischendurch flitzen Fußgänger über den Fahrdamm.
Leben nach dem Shutdown zurückgekehrt
Die Coronavirus-Zeit hat das Gewusel gebremst. Doch mit dem Ende des Lockdowns ist auch das Leben auf der 1,5 Kilometer langen Straße im Südosten Berlins zurückgekehrt. Auffällig ist ein Schild, das seit einigen Tagen an vielen der kleinen Geschäfte rechts und links der Fahrbahn unübersehbar prangt und auf dem in großen Lettern „Wir sind Dein Kiez!“ zu lesen ist.
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Es ist ebenso wie ein neugedrehter Filmspot Teil einer Imagekampagne: Die Dörpfeldstraße soll attraktiver werden, zum Bummeln einladen, zum Einkaufen, zum Verweilen, zum Leben. Sie wird in den nächsten Jahren umgebaut und soll damit zur Flaniermeile mutieren, die vom alten Herz Adlershofs mitten in den modernen Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort (Wista) Adlershof führt.
Andreas Paul sitzt im Büro des Geschäftsstraßen-Managements des Aktiven Zentrums Dörpfeldstraße, das die Gewerbetreibenden vor Ort unterstützen will. Paul und seine Frau betreiben in der Straße im Südosten Berlins das Fotogeschäft „Die FotoGrafen“. Der 56-Jährige ist im Vorstand der IGD, der Interessengemeinschaft Dörpfeldstraße, die unter dem Motto „Wir sind Dein Kiez“ derzeit mit dem Kurzfilm in die „neue Normalität“, in das Geschäftsleben nach dem Lockdown, starten will.
Einzelhändler statt große Ketten
„Die Betreiber haben während des Lockdowns viel meistern müssen“, sagt Paul. Niemand habe die Coronavirus-Krise so überstanden, als wäre nichts geschehen. Hier gebe es keine großen Ketten, die Geld in der Hinterhand hätten. Vielmehr seien die Läden in der Straße kleine, inhabergeführte Geschäfte.
Die Pauls selbst betreiben ihren Laden seit 1990. Zunächst war ihr Geschäft am Sterndamm in Johannisthal zu finden. Als der Standort seine Attraktivität als Einkaufsstraße verlor, zogen die „FotoGrafen“ 2002 nach Adlershof. Immer hätten sie Lehrlinge ausgebildet, aber die Situation sei in diesem Jahr schwierig.
Nach Pauls Worten soll der „Wir sind Dein Kiez!“-Film Mut machen, ein Gegenentwurf sein zur Starre und Unsicherheit. Dabei kann von Starre in der Dörpfeldstraße in der kommenden Zeit absolut keine Rede sein. Große Umbauten sind geplant. Und die Händler brauchen während der Bauarbeiten vor allem eines: einen langen Atem.
„Wir Händler haben vor den Maßnahmen schon Angst“, sagt Paul. Seit 2002 seien bereits zweimal die Schienen für die Straßenbahn ausgebessert worden. Dabei seien die Bauarbeiten innerhalb weniger Wochen abgeschlossen worden. Nun aber komme der große Umbau, der eigentlich nach den ersten Planungen schon längst geschehen sein sollte. „Wir hoffen auf ein gutes Baustellen-Management.“
Die Königsallee von Berlin
„Die Dörpfeldstraße soll sich zur kleinen Dö von Berlin entwickeln – angelehnt an die Luxusmeile in Düsseldorf, die Königsallee, die Kö genannt wird“, sagt Regina Roß vom Aktiven Zentrum Dörpfeldstraße. Es gehört zum Städtebauförderprogramm Aktive Zentren, das „wichtige Impulse zur wirtschaftlichen und stadtstrukturellen Stärkung ausgewählter Geschäftsstraßen“, geben soll. Mit anderen Worten: Die Dö soll zum wirklichen Mittelpunkt Adlershofs ausgebaut werden. Seit vier Jahren arbeiten Regina Roß und ihre Kollegin Christine Bellot vor Ort an der Umsetzung dieses Ziels. Und sie wollen auch das Baustellen-Management übernehmen.
Drei Hauptprojekte haben die Planer in der Dörpfeldstraße im Blick. Da ist zunächst der Marktplatz, der zum „Wohnzimmer“ von Adlershof werden soll mit dem alten historischen Löwenbrunnen und Wasserspielen. Mit Wochenmarkt und Grünflächen. Vielleicht mit einer kleinen Bühne. Eigentlich hätte es längst losgehen sollen am Markt, doch es musste erst eine Lösung für die Versickerung des Regenwassers gefunden werden. Nun wird der Umbau wohl im kommenden Jahr starten. Erweitert und saniert werden soll auch das Kulturzentrum Alte Schule mit Bibliothek und Veranstaltungsräumen.
Doch der größte Einschnitt steht der Straße mit der Neugestaltung der Verkehrsführung bevor. Die Straßenbahn soll in ein paar Jahren zweigleisig durch die Dörpfeldstraße fahren. Daneben soll es Wege für Fußgänger und Radfahrer geben. Derzeit läuft dafür das Planfeststellungsverfahren. Diesen Umbau auf einer Breite von teilweise nur 15 Metern zu bewerkstelligen, ist nicht ganz einfach. „Wir können ja die Häuser nicht einfach zur Seite schieben“, bemerkt Christine Bellot. Die Händler, aber auch die Anwohner seien in die Diskussion um den Umbau der Straße einbezogen worden.
Kein Autoverbot geplant
Die Geschäfte könnten mit Lastenrädern beliefert werden. Gänzlich gesperrt für den Autoverkehr soll die Straße allerdings nicht werden. Nichtmobile Patienten müssten schließlich auch zu den zahlreichen Arztpraxen gelangen. Und ganz verbieten könne man den Autoverkehr auch nicht, sagt Regina Roß. Gedacht sei an eine Parkgarage, in der „man ankommen könne“. Anliegen sei es, die Straße zu einer lebenswerten Einkaufsstraße zu machen. Auch Andreas Paul setzt als Gewerbetreibender auf ein „richtiges Maß“ an Fahrradfahrern, Fußgängern und Autofahrern. „Wir brauchen eine zukunftsfähige und lebendige Einkaufsstraße.“
Optimismus verbreitet auch der neue Image-Film „Wir sind Dein Kiez!“. 92 Sekunden lang ist der Spot, der Lust zum Einkaufen in den kleinen Läden in der Dörpfeldstraße in Adlershof machen soll. Es ist, wenn man so will, ein Musikvideo, in dem 25 Ladeninhaber, vom Fahrradverkäufer über den Fleischer, die Buchhändlerin bis hin zur Café-Betreiberin, manchmal auch tanzend in ihre Geschäfte einladen. Auch Andreas Paul und seine Frau sind in dem Video zu sehen. Der Fimspot läuft derzeit nur im Internet.
Bald soll er aber auch auf Großleinwand im Kino zu sehen sein. Nämlich dann, wenn das traditionelle Casablanca wieder öffnet. Das vor mehr als 100 Jahren gegründete und in den 90er-Jahren sanierte Filmtheater wird seinen Spielbetrieb nach der Coronavirus-Pause am 2. Juli aufnehmen – in der Friedenstraße, einer Seitenstraße zur Dö.