An der Freien Universität und der Charité erforscht Nadine Großmann den seltenen Gendefekt.
An der Freien Universität und der Charité erforscht Nadine Großmann den seltenen Gendefekt. Foto: dpa/Jörg Carstensen

Manche Krankheiten sind so selten, dass sie auch viele Ärzte nicht kennen. Wie der Gendefekt Fibrodysplasia Ossificans Progressiva (FOP). Nur 40 Betroffene in Deutschland sind bekannt. Die Berlinerin Biochemikerin Nadine Großmann ist eine von ihnen.

Als Großmann 1991 geboren wird und einer ihrer großen Zehen deutlich verkürzt ist, messen die Ärzte dem keine Bedeutung zu: „Eine Fehlbildung, nicht weiter schlimm, dachte man damals.“ Inzwischen ist klar: Ein großer Zeh, der schief wächst oder verkürzt ist, kann ein Anzeichen für FOP sein.

Bei FOP-Patienten bildet der Körper durch einen Gendefekt bei der Wundheilung kein Narbengewebe, sondern Knochen. Selbst kleine Verletzungen können dann dazu führen, dass Gelenke unbeweglich werden, der Körper versteift.

Molekularer Signalweg ist bei Nadine Großmann überaktiviert

„Die Knochen entstehen dort, wo sie nicht hingehören“, erklärt die 28-Jährige. Bei ihr hat sich an Kiefer, Hüfte und Schulter zusätzliches Knochenmaterial gebildet. Den Kiefer kann sie nur noch fünf Millimeter weit öffnen: „Das Essen dauert sehr lange und ich muss alles sehr klein schneiden.“

Herzhaft in einen Apfel beißen – unmöglich. Ihren rechten Arm kann sie nicht höher als schulterhoch heben. „Wenn ich Dinge aus einem hohen Regal oder Schrank nehmen will, wird es schwierig.“

Nadine Großmann hat sich den Hashtag #cureFOP auf ihren Unterarm tätowieren lassen.
Nadine Großmann hat sich den Hashtag #cureFOP auf ihren Unterarm tätowieren lassen. Foto: dpa/Jörg Carstensen

Bei Patienten wie Nadine Großmann ist ein molekularer Signalweg überaktiviert, der die normale Skelettentwicklung steuert. Verknöcherungsschübe können auch durch Stürze und Operationen ausgelöst werden. „Operationen sollten daher unbedingt vermieden werden“, sagt die junge Frau.

Das Wissen um die Krankheit sei leider noch nicht sehr verbreitet, bedauert die junge Biochemikerin, die derzeit im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Charité an FOP forscht. Und sie versucht, mit einem Förderverein die Krankheit bekannter zu machen. Unter dem Hashtag #curefop (heilt FOP) wollen Betroffene der Krankheit auch in den sozialen Medien ein Gesicht zu geben. Großmann hat sich den Hashtag auf ihren Unterarm tätowieren lassen – unter eine Abbildung ihrer defekten Gensequenz.

Hoffnung für Nadine Großmann: Therapieansatz für FOP entwickelt

Bei ihr habe es vom ersten Schub im Alter von 13 Jahren nicht lange bis zur Diagnose gedauert, nur etwa ein halbes Jahr. „Andere Patienten müssen oft deutlich länger warten oder wissen noch gar nichts von ihrer Krankheit“, sagt Großmann. Bundesweit gäbe es nur ein Klinikum, das viel Erfahrung mit der Erkrankung habe – in Garmisch-Partenkirchen.

Für die Therapie der Krankheit FOP gibt es Hoffnung: Zwei Dresdner Wissenschaftlerinnen haben einen Therapieansatz entwickelt, der die Verknöcherung verhindern soll. Erste Tests an Mäusen waren vielversprechend. Die Entwicklung eines Medikaments für Menschen könne aber noch einige Jahre dauern.

Nadine Großmann findet den Ansatz „sehr interessant“, merkt aber auch an, dass er noch in den Kinderschuhen stecke. Sie versucht, sich fit zu halten und ihre Lunge mit Singen im Chor und Querflöte zu kräftigen.

„Durch die eingeschränkte Beweglichkeit des Brustkorbes kann es dazu kommen, dass Patienten an Atemnot leiden“, so Großmann. Dies müsse aber nicht zwangsläufig der Fall sein. „Bei jedem verläuft die Krankheit anders.“