Corona-Einschränkungen : Unterwegs mit Maske: Warum schaut ihr uns so böse an?
Berliner Experten erklären, was die „vermummte“ Gesellschaft mit uns macht.

Die Maskenpflicht – erst in den Öffis, nun auch im Einzelhandel – setzt vielen zu. Eigentlich geht es nur um ein Stück Stoff, doch viele fühlen sich unwohl, wenn sie in Bus und Bahn oder beim Einkauf Mund und Nase bedecken müssen oder anderen begegnen, die eine Maske tragen. Warum ist das so – und was können wir gegen diese Gefühle tun? Therapeuten geben Tipps.
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Wohl jeder hat bei der ersten Bahnfahrt mit Maske ein gewisses Unwohlsein verspürt – dafür gibt es verschiedene Gründe. „Wir Menschen sind Gewohnheitstiere“, sagt Janin Kronhardt, Psychologin am Sana-Klinikum in Lichtenberg. „Eine Maske ist momentan ein ungewohntes Accessoire, ein Fremdkörper, der zudem die Körperöffnungen bedeckt, die für das Atmen wichtig sind.“
Auch die zwischenmenschliche Kommunikation – ein großer Teil dafür passiert über die Mimik – werde erschwert. Nicht zuletzt legen wir in unserer Gesellschaft besonderen Wert auf Individualität – die Masken-Pflicht uniformiert uns. Kronhardt: „Das führt zu Unsicherheiten, zu innerer Anspannung und Stress.“

Psychologe: Maske für viele zum Symbol der Angst geworden
Klaus Bernhardt, Therapeut und Bestseller-Autor („Panikattacken und andere Angststörungen loswerden“) aus Westend teilt diese Ansicht. „Wir lebten in ständiger Interaktion, in der Mimik und Gestik sehr wichtig seien. „Wenn plötzlich die Hälfte des Gesichts fehlt, wirkt das bedrohlich“, sagt er. Und er sieht weitere Gründe: „Die Maske ist für viele ein Symbol der Angst, ein Zeichen, dass etwas nicht stimmt und sie stand in der Gesellschaft bisher keinesfalls für Schutz und Gesundheit.“
Masken seien vor der Corona Krise nur dort getragen worden, wo man sich infizieren konnte. Deshalb verknüpften wir sie im Kopf mit Klinik, Intensivstation und Verletzungen. Hinzu käme das erschwerte Atmen. „Wir haben das Gefühl, als würden wir in eine Tüte atmen“, sagt Bernhardt.

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Manche bekämen schon Panik, wenn ein Nasenloch verstopft sei und sie schlechter Luft bekämen. Für sie sei es mit Maske schlimmer. Doch es gibt auch spannende Phänomene in Bezug auf Masken: Sehr schnell schafft es die menschliche Psyche, sich an solche neuen Gegebenheiten zu gewöhnen. „Die Reize, die dadurch entstehen, dass man eine Maske trägt oder andere Menschen damit sieht, schwächen sich schnell ab“, sagt Kronhardt.
Das Zauberwort lautet Akzeptanz
Und: Der Herdentrieb greift in diesem Fall stark. „Die Psychologie besagt, dass wir alle in unsicheren Situationen anfällig für Suggestionen sind. Dadurch gehen wir eher mit der Masse mit. Evolutionsbiologisch hat der Herdentrieb einen Sinn: Der Masse zu folgen bringt Sicherheit und ist effizient.“ Das führe aber auch dazu, dass jene, die sich abseits der neuen Norm bewegen, kritisch beäugt werden – der psychologische Grund dafür, dass wir plötzlich alle ohne Maske etwas schief anschauen.

Was aber können jene tun, die mit dem Tragen wirklich ein Problemhaben? Weil sie Beklemmungen bekommen. Hier ist Akzeptanz das Zauberwort, sagt Kronhardt. „Wir müssen uns damit abfinden, dass wir die Situation,wie sie gerade ist, akzeptieren müssen.“ Das schaffe innere Ruhe. „Und jeder muss sich davon überzeugen, dass es Sinn macht, eine Maske zu tragen. Dass wir alle bald von der Lockerung der Maßnahmen profitieren, wenn wir uns jetzt so gut wie möglich daran halten. Dann ist die Maske kein auferlegter Zwang mehr.“
Einzig und allein jene, die beim Tragen Symptome wie Atemnot, Unwohlsein, Herzrasen oder Schwindel entwickeln, sollten sich Hilfe suchen. Denn es könnten Anzeichen für eine Klaustrophobie sein – oder aber für „Vestiophobie“, die Angst vor Kleidungsstücken.