Berlin: Weitere 60 Millionen Euro für die Wirtschaft
Der Senat will dem Mittelstand jetzt auf die Beine helfen.Trotzdem befürchten viele den Ruin.

Der Senat will die unter der Corona-Krise leidende Wirtschaft mit zusätzlich 60 Millionen Euro unterstützen. Damit sollen nun erstmals auch Unternehmen mit 10 bis 50 Mitarbeitern rückzahlungsfreie Zuschüsse erhalten. Das teilten Regierungschef Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD) am Dienstag im Anschluss an die Senatssitzung mit. Wie Müller sagte, könnten davon zum Beispiel kleine oder mittelgroße Kinos, aber auch gastronomische Betriebe profitieren.
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Mit dieser Zusage kommt der Senat Forderungen aus der Wirtschaft aber etwa auch von Kulturbetrieben nach. Bisher hatten Betriebe dieser Größenordnung nur staatlich gestützte Kredite von bis zu 500.000 Euro in Anspruch nehmen können – ein Angebot, das von vielen als wenig hilfreich wahrgenommen wurde. Viele hätten gar nicht die Möglichkeit in Zeiten leerer Kassen mangels Einnahmen solche Kredite zu bedienen. Entscheidend sei schnelles Geld.
150.000 Anträge
Der Senat hatte sich für seine Sitzung hochkarätigen Besuch eingeladen: Christian Hoßbach, Berliner Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Beatrice Kramm, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) und Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung (DIW).
Vor allem Kramm dürfte zufrieden gegangen sein. Sie mahnt seit langem mehr Unterstützung für den Mittelstand an, „das Rückgrat der Wirtschaft“, wie sie es nennt. Nicht zuletzt sei dessen Steueraufkommen auch deutlich höher als das der kleinen und kleinsten Unternehmen.
Bisher hatte das Land Berlin über seine Investitionsbank Soforthilfen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro aus eigenen und Bundesmitteln für kleine und kleinste Unternehmen (weniger als zehn Mitarbeiter) sowie Soloselbstständige oder Freiberufler ausgegeben. Insgesamt etwa 150.000 Anträge seien bedient worden, hieß es.
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Im Gespräch mit dem Bund
Weil binnen weniger Tage so viel Geld ausgezahlt wurde, wurde das Programm vergangene Woche gestoppt. Ab jetzt soll ausschließlich Geld vom Bund für die noch offenen Ansprüche ausgezahlt werden. Dabei gibt es Kritik an einer Gerechtigkeitslücke. So werden die Anträge auf Soforthilfe, die nicht in den ersten Tagen gestellt wurden, offenbar nicht mehr bearbeitet.
Ob das bei der Hilfe für Mittelständler besser laufen wird, wird sich zeigen. Nach Wünschen des Senats soll es erneut ein kombiniertes Programm mit Geld des Landes Berlin und des Bundes sein. Man sei darüber im Gespräch mit dem Bund, sagte Kollatz. Denn eines machte der Finanzsenator ganz klar: „Wir können als Senat mit unseren begrenzten Mitteln kein Programm für alle betroffenen Unternehmen vorlegen.“
Der Fall Trompete
In manchen Branchen fürchtet die Hälfte der Betriebe, die Krise nicht zu überleben. Ob die zugesagten Hilfen das verhindern können, weiß noch niemand zu sagen.
Zu den ersten Leidtragenden des Shutdowns gehörten im März die Berliner Clubs. Kurz nachdem klar geworden war, dass ein einziger Besucher der Bar Trompete in Tiergarten ausreichte, um rund ein Dutzend anderer zu infizieren, wurde alles geschlossen. Radikal. Und bis heute gibt es nicht einmal eine Idee, wann es wieder losgehen könnte.
Auf Dauer existenzgefährdend
Das Trompete-Menetekel hat die Szene schwer getroffen und für tiefe Nachdenklichkeit bei allen und massive Zukunftssorgen bei vielen gesorgt. „Es kann gut sein, dass wir die letzten sein werden, die wieder aufmachen“, sagt Pamela Schobeß, Betreiberin des Gretchen an der Obentrautstraße in Kreuzberg und Chefin der Clubcommission, in der sich Club- und Konzertveranstalter zusammengeschlossen haben.
Schobeß fordert von der Politik Signale, konkrete Aussagen – selbst wenn diese unangenehm ausfallen würden. „Je früher wir wissen, wie lange wir geschlossen bleiben müssen, desto besser können wir damit umgehen“, sagt sie dem Berliner KURIER. Solange man dies nicht einmal erahnen könne, seien etwa auch Verhandlungen mit Vermietern über Mietnachlass oder Stundungen unmöglich. Und das, so Schobeß, sei auf die Dauer existenzgefährdend.