8. März : Was Berlinerinnen sich zum Frauentag wünschen
Sie verdienen weniger, haben weniger Einfluss – bis zur Gleichberechtigung gibt’s noch viel zu tun.

Dieser Sonntag ist ein ganz Besonderer: Denn heute stehen die Frauen im Mittelpunkt. Seit 1909 kämpfen sie weltweit für ihre Gleichberechtigung. In Berlin wurde der Weltfrauentag im vergangenen Jahr sogar erstmals mit einem gesetzlichen Feiertag gewürdigt. Ärgerlicherweise fällt er diesmal nicht auf einen Werktag. Auch im KURIER haben heute Frauen das Wort: „Was wünscht Ihr Euch von den Männern?“, wollten die Reporter wissen.
„Ich wünsche mir, dass mein Mann mehr auf seine Ernährung achtet und weniger Alkohol trinkt“, sagt Krankenschwester Melina Widmer (29). Eine andere Dame, Christina Spiesberger (37) antwortete: „Ich würde mich sehr freuen, wenn mein Partner ein wenig egoistischer werden könnte. Er sollte mehr an sich denken als an andere Menschen.“

Fast alle der Frauen, die der KURIER am Alexanderplatz befragte, zeigten sich äußerst zufrieden mit ihrem Alltag und den Männern. Ihre Wünsche waren wenig politisch, sondern sehr bodenständig und mitten aus dem Leben gegriffen. Fast schon bescheiden. Vielleicht zu bescheiden? Denn noch immer werden weltweit und auch in Berlin noch große Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern gemacht.
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Ist es doch so, dass Frauen in Berlin wie in Deutschland in der Regel deutlich weniger verdienen als Männer, obwohl der Laden ohne sie nicht läuft. Insbesondere in Bereichen, in denen menschliche Zuwendung gefragt ist – Krankenhäuser, Kindergärten, Pflegedienste – würde der Betrieb ohne Frauen zusammenbrechen.

Die Lohnunterschiede sind unter anderem dadurch hervorgerufen, dass Frauen vielfach in Branchen mit einem niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad tätig sind, aber auch an der sogenannten „gläsernen Decke“. Denn in der Konkurrenz mit Männern, die sich meist besser darstellen und Seilschaften bilden, kommen Frauen selbst bei hoch qualifizierten Tätigkeiten wie dem Arztberuf und großem Fleiß nicht so weit auf der Karriereleiter wie Männer.

In Berlin gibt es da Bestrebungen, diese Decke zu durchstoßen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), gleichzeitig Wissenschaftssenator, berichtete anlässlich des Frauentags, „dass bei den Berufungen auf Professuren an Berlins Universitäten der Anteil an Frauen in 2019 auf 46 Prozent gestiegen ist, 126 Wissenschaftlerinnen haben damit eine Professur neu besetzt.“ Diesem Erfolg stehen trostlose Zahlen gegenüber. 2018 konnten knapp 3000 Frauen und Kinder, die vor der Gewalt des Partners geflüchtet waren, nicht in einem der sechs Berliner Frauenhäuser aufgenommen werden. Der Senat will die Zahl der Plätze deshalb anheben. Bundesweit wird jeden dritten Tag eine Frau in von ihrem Ex oder Partner getötet.

In der Berliner Politik sind Frauen in der Minderheit, obwohl es mehr Frauen als Männer gibt. Nur ein Drittel der Parlamentarier im Abgeordnetenhaus sind weiblich, wobei Grüne (fast 60 Prozent) und Linke (beinahe die Hälfte) das Ungleichgewicht abmildern. Vor allem die Grünen und die Linke streben eine Parität an, die Linke schlägt vor, dass auf den Listen für die Abgeordnetenhauswahlen jeweils zur Hälfte Frauen und Männer antreten, und zwar jeweils wechselweise eine Frau und ein Mann. Ob eine Wahlgesetzänderung bis zur nächsten Abgeordnetenhauswahl durchgesetzt werden kann, ist unwahrscheinlich.
Wahlen waren Ursprung des Frauentags: Für 1909 setzten Frauen der Sozialistischen Partei Amerikas ihn an, andere Frauenrechtlerinnen schlossen sich an. Das Ziel: das Frauenwahlrecht. In Deutschland und anderen europäischen Ländern, von Sozialistinnen initiiert, gab es 1911 den ersten Frauentag mit dem gleichen Ziel, das in Deutschland 1918 nach dem Ersten Weltkrieg umgesetzt wurde. 1975 erklärten die Vereinten Nationen den 8. März zum Internationalen Frauentag.