Wutrede von Kraft stürzt Trainer Nouri
Alexander Nouri wird nach Klinsmanns Flucht Chef-Trainer und ist überfordert.

Was für ein Jahr. Im wahrsten Sinne des Wortes. Zwölf Monate lang hielten Hertha BSC und der 1. FC Union die Hauptstadt in Atem. Langweilig war echt anders! Hier vier Trainer in einer Spielzeit, Stadtmeisterschaft, Geldsegen von Lars Windhorst, verbunden mit dem Ziel, sich endlich im Konzert der Großen zu etablieren. Dort wackerer Abstiegskampf, vorzeitige Rettung und der Abtritt eines Urgesteins. All das in Zeiten von Corona. Geisterspiele statt begeistertem Publikum. Schön ist anders. Doch am Ende lagen die Hauptstadt-Rivalen in der Tabelle friedlich nebeneinander, getrennt nur durch die Tordifferenz. Das hätten beim Ligastart im August 2019 wohl nur wenige für möglich gehalten. Seit Dienstag lesen Sie im KURIER die großen Serien über Hertha und Union.
Teil 3: Jürgen Klinsmann schmeißt am 11. Februar völlig feige als Trainer hin und lässt die taumelnde Mannschaft im Stich. Hertha-Idol Axel Kruse bringt das Urteil der Fans auf den Punkt: „Zu so einem Verhalten sagt man im Fußball Kameradenschwein!“
Manager Michael Preetz kann gar nicht so schnell einen Nachfolger präsentieren und er übergibt den Cheftrainerposten an Klinsmanns Assistenten Alexander Nouri. Viel Vertrauen genießt er weder bei den Spielern, noch bei den Fans. Seine Nähe zu Klinsmann provoziert einfach Skepsis. Immerhin schafft er einen 2:1-Sieg beim SC Paderborn und Hertha hat wieder sechs Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze. Nouri ist keiner, der ein Feuer in der Kabine entfachen kann. Seine Sätze wirken leblos und statisch. Es folgt eine 0:5-Heimblamage gegen Köln.
Eine Woche später steht es bei Abstiegskandidat Düsseldorf nach einer völlig indiskutablen Leistung zur Halbzeit 0:3. Es gibt ein Donnerwetter in der Kabine, nicht von Nouri. Nein! Ersatztorwart Thomas Kraft, der den nach dem 0:5 gegen Köln völlig entnervten Rune Jarstein vertrat, brüllt seine Mitspieler zusammen. Er droht sogar lautstark, sich auswechseln zu lassen, weil er sich nicht noch mehr Tore einschenken lassen wollte. Krafts Trotz-Wutrede zeigt Wirkung. Seine Mitspieler kämpfen und am Ende steht es 3:3.
Abschlachten oder aufwachen?
„Ich bin einer der ältesten und erfahrensten Spieler bei uns und ich hatte einfach das Gefühl, etwas sagen zu müssen. So wie wir in der ersten Hälfte gespielt haben, mussten wir uns die Frage stellen, ob wir uns weiter abschlachten lassen wollen oder als Mannschaft endlich aufwachen“, erklärt Kraft später. Für einen Moment ist er der Trainer eines Hühnerhaufens und eigentlich war Nouri damit schon endgültig enteiert. Der sagt einen Tag später nur kleinlaut: „Dass Thomas Kraft noch mal einen Impuls freigesetzt hat, einen Appell an die Mannschaft richtete. Großer Respekt dafür. Das hat gefruchtet.“

Manager Michael Preetz hofft zu diesem Zeitpunkt nur, dass irgendwie die Saison ohne Abstieg zu Ende geht – mit Notnagel Nouri. Es folgt eine Woche später, am 7. März, im Heimspiel gegen Abstiegskandidat Bremen quasi die Wiederholung im Schnelldurchlauf. Hertha liegt nach nur sechs Minuten 0:2 zurück und quält sich am Ende zu einem 2:2. Im Olympiastadion ahnen schon einige nach dem Abpfiff, dass es für lange Zeit das letzte Spiel gewesen sein könnte. Denn der Fußball hat einen neuen Gegner – Corona. Für Nouri war es die letzte Partie als Hertha-Trainer.
Am Freitag Lesen Sie: Wie sich ein Spieler in der Corona-Pause seinen Hertha-Abschied versaut.