Hertha-Profis in der Fremde: Jordan Torunarigha, Arne Maier, Kris Piatek und Javairo Dilrosun (v.l.).
Hertha-Profis in der Fremde: Jordan Torunarigha, Arne Maier, Kris Piatek und Javairo Dilrosun (v.l.). Imago (3), AFP

Mit Prognosen sollte man im schnelllebigen Profifußball vorsichtig sein, aber bei einer bestimmten Voraussage bin ich mir ganz sicher: Im Sommer dieses Jahres wird die Mannschaft von Hertha BSC ein völlig anderes Gesicht haben als zu Beginn der Saison 2021/22. Sehr viele Profis, die gerade um den Klassenerhalt kämpfen (ich vermute bis zu den letzten Spieltagen), werden nicht mehr im blau-weißen Trikot auflaufen. Sportchef Fredi Bobic stellt alle auf den Prüfstand – ohne etwa Rücksicht auf alte Meriten zu nehmen.

Ganz klar: Profis, denen die Qualität fehlt, Hertha längerfristig auf ein höheres Niveau zu heben oder denen in Krisensituationen die geforderte Siegermentalität fehlt, werden gehen müssen. Das alles erscheint richtig und logisch, dennoch wirft die gegenwärtige Transferpolitik bei mir auch Fragen auf.

Zehn Herthaner kicken woanders

Am Ende dieser Transferperiode hat Bobic in dem Südkoreaner Dongjung Lee und dem erst 19-Jährigen Franzosen Kelian Nsona Profis eingekauft, die vor allem Schnelligkeit und Dynamik versprechen. Das gilt auch für den Verteidiger Fredrik Björkan aus Norwegen. Dennoch frage ich mich, ob diese Spieler nicht eine viel zu lange Eingewöhnungsphase benötigen, um eine wirksame Soforthilfe zu sein? Gerade die Wintertransfers sollten schnell einschlagen. Sie kommen aber in ein neues Land mit einer neuen Sprache und einem komplett anderen Umfeld. Auch die Verpflichtung des schnellen Flügelflitzers Nsona ist nach dessen Kreuzbandriss im Juli vorigen Jahres durchaus mit einem Risiko behaftet. Man sieht das am Beispiel des Montenegriners Stevan Jovetic – für mich im Moment der beste Fußballer im Team. Dessen umfangreiche Verletzungshistorie war auch schon in Berlin schmerzhaft zu spüren.

Beim „Drehen des Kaders“ (O-Ton Fredi Bobic) – das unausgegorene Aufgebot hatte ihm sein Vorgänger Michael Preetz hinterlassen - kommt noch ein Problem für den Sportchef hinzu. Hertha hat im Moment zehn Profis an andere Vereine ausgeliehen. So viele wie noch nie. Einige von ihnen würde der Klub sicher gern für immer abgeben, anderen erneut eine Chance geben. Mit Arne Maier (zur Zeit FC Augsburg), Jessic Ngankam (Greuther Fürth) und neuerdings Abwehrriese Jordan Torunarigha (KAA Gent) gehören auch drei einst hoffnungsvolle Eigengewächse zur Riege der Ausgeliehenen.

Was macht Hertha mit Ngankam, Dilrosun und Torunarigha?

Gründe für Leihgeschäfte gibt es im Augenblick viele. Knappe Kassen bei vielen Klubs, die sich keine großen Ablösesummen leisten können, aber auch unzufriedene Spieler, die anderenorts auf mehr Einsatzzeiten hoffen oder Profis, deren Entwicklung in Berlin stagniert und deren Position im Team schon besser besetzt ist.

Von den zehn Leihspielern prophezeie ich drei Profis eine Rückkehr im Sommer nach Berlin. Das gilt für den kraftvollen Angreifer Ngankam, der wegen eines Kreuzbandrisses beim Aufsteiger Greuther Fürth nicht zum Einsatz kommen konnte. Auch der Holländer Javairo Dilrosun, der einst bei Hertha furios startete, aber stark nachließ, könnte zurückkehren, weil sich sein Verein, Girondins Bordeaux, in einer schwierigen finanziellen Lage befindet. Kandidat Nummer drei ist für mich Torunarigha, der das Zeug zu einem gestandenen Bundesliga-Profi besitzt. In der höchsten Liga Belgiens, wo er seit einigen Tagen spielt, scheint er mir auf Dauer unterfordert. Zudem besitzt Gent keine Kaufoption.

Mit Piatek macht Hertha minus

Sieben andere Leihspieler erwarte ich nicht mehr bei Hertha zurück. Dazu gehört auch der polnische Mittelstürmer Krzysztof Piatek, den sich Preetz und Jürgen Klinsmann vor zwei Jahren 24 Millionen Euro Ablöse kosten ließen.

Piatek, jetzt bei AC Florenz, fühlt sich in der Serie A sehr wohl, ist dort durch seine erfolgreiche Vergangenheit in Genua und Mailand hoch angesehen. Wenn Florenz die Kaufoption zieht, kann sich Hertha über rund 15 Millionen Euro freuen.

Doch am Ende dieses Personal-Puzzles, dass von vielen Unwägbarkeiten begleitet ist, zählen nur zwei Dinge: der sportliche Erfolg und irgendwann wieder eine Hertha-Mannschaft, die begeistern kann.

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