Vertreibt Kummer und Abstiegssorgen: Hertha BSC und die Sehnsucht nach dem ultimativen Kick
Glücksmomente setzen im Kampf um den Klassenerhalt neue Kräfte frei, auch Hertha BSC hat das schon erlebt.

Es heißt immer so schön: Glück und Glücksmomente kann man nicht festhalten, aber immer wieder neu suchen. Das gilt sicherlich auch für den Fußball. Welche Wirkung haben eigentlich Glücksmomente auf eine Mannschaft und natürlich auch auf die Fans? Können sie ein Team, dass wie Hertha BSC eine mehr als beschwerliche Saison erlebt, plötzlich nach vorne bringen? Und die Anhänger noch enger an ihre Lieblinge binden? Ich denke schon.
Das jüngste Beispiel stammt vom zurückliegenden Sonnabend, als über 2.200 Fans die Mannschaft von Hertha zur weitesten Dienstreise der Saison – ins rund 800 Kilometer von Berlin entfernte Freiburg - begleiteten. Sie hatten den äußerst beschwerlichen Weg auf sich genommen, um endlich wieder einmal einen Glücksmoment zu erleben und ein in diesem Fall kollektives Erfolgserlebnis zu suchen. Das verdiente 1:1 beim SC Freiburg brachte tatsächlich einen klitzekleinen Glücksmoment, als Jessic Ngankam mit einem Kraftakt den Berliner Treffer erzielte. Eine Aktion, die positive Wirkung haben wird. Das Team geht garantiert mit breiterer Brust als zuvor ins kommende Spiel gegen RB Leipzig und die Fans werden – da bin ich sicher – in großer Zahl ins Olympiastadion strömen.
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Fans und Spieler von Hertha BSC brauchen dringend Glücksmomente
In schweren Zeiten, in denen Glückmomente wie bei Hertha äußerst rar sind, müssen sich die Anhänger auch Mut machen, in dem sie sich an solche Momente aus der Vergangenheit erinnern und daran hochziehen. Einer der ganz großen dieser Augenblicke, der aber tatsächlich eher ein rauschhafter Dauerzustand über einige Wochen war, liegt nun exakt 30 Jahre zurück.

Am Freitag voriger Woche, am 31. März, jährte sich zum 30. Mal das legendäre Duell der Hertha-Amateure, liebevoll die Bubis genannt, im DFB-Pokal-Halbfinale gegen den starken Zweitligisten Chemnitzer FC. Dort, vor 56.000 euphorischen Fans, erlebte auch ich eine der emotionalsten Stunden als Reporter im Olympiastadion. Herthas Amateure spielten unter Trainer Jochem Ziegert damals in der Regionalliga Nordost, Staffel Mitte, einst die dritthöchste Liga, während die eigenen Profis im Mittelfeld der Zweiten Bundesliga dümpelten. Der Siegeszug im DFB-Pokal ließ die Bubis zu medialen Helden aufsteigen und zu Lieblingen der Fans in ganz Berlin. Wenn schon die Profis damals den Traum von der Ersten Bundesliga nicht erfüllen konnten, so waren es eben die Bubis, die die Sehnsucht der Berliner nach Erfolg auch im Fußball stillen sollte.
Herthas Bubis als Vorbild für den neuen „Berliner Weg“ von Boss Kay Bernstein
Die Jungs, die sogar die Zeitung New Strait Times aus Malaysia salopp „eine Bande aus Mechanikern, Studenten und Schuljungen“ nannte, entzückten mit ihrer Unerschrockenheit, ihrer Leichtigkeit, ihrer Unbefangenheit und sorgten so für unglaubliche Glücksmomente der Anhängerschaft. Mehr noch: Sie machten Mut auch im täglichen Leben, weil sie zeigten, was man als Außenseiter, als Underdog gegen die vermeintlich ganz Großen erreichen kann.
Solch Euphorie um Hertha habe ich nach den unvergesslichen Auftritten der Bubis nur noch selten erlebt. Aber sie gab es schon. So beim legendären 2:0- Sieg in Liga zwei im April 1997 gegen den 1. FC Kaiserslautern, als das Olympiastadion plötzlich überfüllt und der Aufstieg zum Greifen nahe war. Oder 1999 während der mutigen Duelle in der Champions League gegen Barcelona, Milan oder Chelsea und natürlich 2009, als unter Trainer Lucien Favre gar die Meisterschale recht nahe war.
Hertha BSC: Bloß nicht nochmal Relegation gegen den Hamburger SV
Der letzte große Glücksmoment für den Verein – eher eine unglaubliche Erleichterung – datiert vom 23. Mai 2022, als Hertha in der Relegation beim Hamburger SV den Klassenerhalt sicherte.
Kurios: Wäre jetzt Saisonschluss würde sich dieses Szenario tatsächlich wiederholen: Hertha contra HSV! Stressfreier für alle, die es mit der Hertha halten, wäre es, das Team hält die Klasse ohne Relegation. Und vielleicht taugen danach die Bubis von einst mit ihren Tugenden zum Vorbild für den „Berliner Weg“, den Hertha gehen will.
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