Matheus Cunha trainierte zuletzt nur mit der brasilianischen Nationalmannschaft.
Matheus Cunha trainierte zuletzt nur mit der brasilianischen Nationalmannschaft. imago-images/Action Plus

Prominente Hertha-Profis als Bankdrücker über 90 Minuten! Mann O Mann! Die Nachrichten, die Cheftrainer Bruno Labbadia am zurückliegenden Wochenende aus Übersee erreichten, verbreiteten keine gute Laune. Der Brasilianer Matheus Cunha und der Kolumbianer Jhon Cordoba, mit riesiger Vorfreude und Hoffnung auf ihr Länderspieldebüt auf die 15-stündige Flugreise nach Südamerika gegangen, müssen warten. Das Duo und Zugang Omar Alderete aus Paraguay hält sich zudem in Risikogebieten auf, in dem das Corona-Virus wütete.

Allein 13 Spieler hat Berlins Bundesligist zu Länderspielen abgestellt, was einerseits für die Qualität der Kicker spricht, aber Labbadia vor enorme Herausforderungen stellt. Das erinnert mich an den Fluch der guten Tat. Es ist vielleicht noch nicht so aufgefallen, aber nach dem Ende der Transferperiode vor einer Woche, hat Hertha nun 16 ausländische Profis im Aufgebot, die aus zwölf verschiedenen Nationen kommen – und laut Labbadia – nun die drittjüngste Mannschaft der Liga darstellen. Alle Zugänge zu integrieren und das unter strengen Hygieneregeln und enormem Zeitdruck (zehn Bundesligaspiele bis Weihnachten, dazu noch einmal eine Länderspielpause mit langen Reisen Mitte November) gleicht einer Herkulesaufgabe.

Auf dem Trainingsplatz herrscht babylonisches Sprachgewirr – Italienisch, Spanisch, Englisch und Französisch dominieren. Zwar bietet der Verein Deutschunterricht an, aber der wird wohl unterschiedlich intensiv wahrgenommen. Ein ehemaliger Hertha-Trainer erzählte mir sein strenges Vorgehen vor vielen Jahren. Er sagte zu seinen Profis aus Brasilien, Holland oder Serbien: „Solange wir uns nicht richtig unterhalten können, gehst Du zum Sprachunterricht!“

Nicht alle Fußballer sind so sprachbegabt wie aktuell ein Matheus Cunha, der sich in sechs Sprachen verständigen kann! Hertha steht für Vielfalt, so wie die Stadt Berlin und das zeigt sich nun auch deutlich im Aufgebot, wo Spieler sehr  unterschiedlicher Herkunft und Temperamente versammelt sind. Wenn das irgendwann zusammenpasst, kann Großes entstehen. Ich habe mir den Spaß gemacht und eine „Multi-Kulti-Mannschaft“ aufgestellt, die Labbadia durchaus mit Erfolg ins Rennen schicken könnte: Jarstein (Norwegen); Zeefuik (Holland), Alderete (Paraguay), Boyata (Belgien), Pekarik (Slowakei); Tousart (Frankreich), Darida (Tschechien), Cunha (Brasilien); Lukebakio (Belgien), Piatek (Polen), Cordoba (Kolumbien).

All das erinnerte mich an Energie Cottbus. Der knorrige Trainer Eduard Geyer sorgte am 6. April 2001 für ein Novum und Aufregung, als er zum ersten Mal in der Geschichte der Liga elf ausländische Kicker in die Startelf beorderte. Beim 0:0 gegen Wolfsburg standen drei Bosnier, zwei Ungarn und je ein Albaner, Brasilianer, Rumäne, Pole, Kroate und ein Spieler aus Benin auf dem Platz. Christian Beeck, damals Energie-Kapitän, fehlte wegen einer Kreuzband-OP. Der 48-Jährige sagte mir nun mit Blick auch auf Hertha: „Trainer Geyer hat damals alle gut integriert und ist nur nach Leistung gegangen. Alle hatten intensiven Sprachunterricht. Hertha hat jetzt ein internationales Team mit hoher individueller Qualität, das schnell zusammenwachsen muss. Trainer, Manager und Sportdirektor sind enorm gefordert.“

Es kann durchaus ein großer Reiz für einen Trainer sein, die verschiedenen Mentalitäten und Charaktere der ausländischen und der deutschen Profis, von denen Hertha auch einige starke Typen besitzt, zu einer Einheit zu formen. Bruno Labbadia wird diese Herausforderung intensiv angehen, da bin ich mir sicher. Doch in diesen Tagen hofft er erst einmal auf eine glückliche Rückkehr seiner Nationalspieler – mit dem Erfolgserlebnis von Länderspiel-Debüts im Rücken und ohne Einschränkungen wegen Corona. In der Nacht auf Mittwoch spielt Brasilien in Lima gegen Peru und Kolumbien in Santiago gegen Chile. Ich jedenfalls werde als erstes die Aufstellungen checken.