Die Spieler des 1. FC Union feiern nach dem Tor zum 3:0 durch Robin Knoche. Die Herthaner Ivan Sunjic und Kevin-Prince Boateng (r.) schieben Frust.
Die Spieler des 1. FC Union feiern nach dem Tor zum 3:0 durch Robin Knoche. Die Herthaner Ivan Sunjic und Kevin-Prince Boateng (r.) schieben Frust. Imago/Tilo Wiedensohler

Die Duelle zwischen den beiden führenden Fußballklubs Berlins waren und sind auch für mich immer ein Höhepunkt im Liga-Alltag. Dabei hat jedes der Derbys zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union seine eigene Geschichte, seine gefeierten Helden hervorgebracht – von Herthas Ronny bis zu Unions Torsten Mattuschka oder von Vedad Ibisevic bis zu Sebastian Polter.

Ich sah etwa am 27. Januar 1990 – gut zwei Monate nach dem Fall der Mauer – das „Wiedervereinigungsspiel“ im Olympiastadion mit 52.000 euphorischen Fans auf beiden Seiten. Nur sieben Monate später – am 12. August 1990 – kamen zum „Rückspiel“ lediglich 3800 Zuschauer in die Alte Försterei. Beim 2:1 für Union endete wohl die Freundschaft zwischen beiden Fangruppierungen, die zu Mauerzeiten über Jahrzehnte gehalten hatte. Viele Derbys sind seitdem ins Land gegangen.

Das jüngste Duell durfte ich dank Union-Legende Olaf Seier in der Alten Försterei verfolgen. Mit meinem einstigen Lieblingsspieler der Unioner bin ich schon lange befreundet. Da Pressekarten äußerst knapp bemessen waren, besorgte mir der ehemalige Kapitän der Eisernen ein Ticket. Ja, auch ich habe eine Union-Vergangenheit, berichtete ab Mitte der 1980er-Jahre über den 1. FC Union, erlebte Trainer von Karl Schäffner über Karsten Heine, Frank Pagelsdorf, Hans Meyer bis Georgi Wassilew, ehe ich mich journalistisch voll und ganz der Hertha widmete.

Es ist ein Erlebnis, den 1. FC Union von der Tribüne aus siegen zu sehen

Beim souveränen 3:1 der Gastgeber erlebte ich nun eine Premiere. Ich saß auf der Haupttribüne mitten unter rot gekleideten Union-Fans, die ihren Emotionen freien Lauf ließen, und versuchte, mich einigermaßen unauffällig zu verhalten. Später musste ich mir eingestehen, dass mich die Leidenschaft der Anhänger beeindruckt hat. Das pausenlose Wechselspiel zwischen Fans und Spielern in diesem engen Stadion bringt der Mannschaft sicherlich einige Punkte mehr pro Saison. Für mich war das ein Erlebnis, das mich in dem Wunsch nach einer reinen, engen Fußballarena für Hertha BSC noch einmal bestärkte. Der Vorschlag, La Bombonera, das legendäre Stadion der Boca Juniors aus Buenos Aires, zum Vorbild zu nehmen, gefällt mir gut. Doch die Umsetzung dieser Pläne wird noch lange dauern.

Entscheidend ist jetzt, dass die Mannschaft endlich als eine verschworene Truppe auftritt. Davon war beim Derby nicht viel zu sehen. Der Bericht vom Stadtduell in der ARD-Sportschau endete dann auch mit einer ironischen Bemerkung von Kommentator Eik Galley: „Die beste Szene der Hertha war das Tor von Ronny!“ Ein schöner Gag. Die ARD hatte im Vorbericht das Freistoß-Hammertor des Brasilianers beim 2:1-Sieg der Hertha vor zehn Jahren in der Alten Försterei gezeigt …

Bei Hertha BSC fehlt Kampfgeist und innere Haltung

Trainer Sandro Schwarz muss seine Herthaner schnell auf Kurs trimmen.
Trainer Sandro Schwarz muss seine Herthaner schnell auf Kurs trimmen. dpa/Andreas Gora

Beim Team von Trainer Sandro Schwarz vermisste ich unbändigen Kampfgeist und eine innere Haltung, dieses Derby unbedingt gewinnen zu wollen. Man kann an der Alten Försterei verlieren, aber nicht mit solch einem laschen Auftritt.

Sportchef Fredi Bobic verwies danach auf die Tatsache, dass 15 Spieler abgegeben wurden und etliche neue Leute kamen (bislang neun Zugänge; M. J.), deren Zusammenfinden ein Prozess ist, der Zeit braucht. Das ist richtig. Dennoch entbindet er die Profis nicht von der Pflicht, mit Power und Zweikampfschärfe ins Derby zu gehen. Auch Union verzeichnete elf Abgänge und 13 Zugänge. Doch die Eisernen traten schon als Einheit auf.

Zum Schluss will ich mich an die Worte von Sandro Schwarz halten („Jetzt bitte keine Untergangsstimmung!“) und Mut machen. Der Coach sollte den Spielern vor dem Duell am Sonnabend gegen Eintracht Frankfurt ein Video vom furiosen 6:1-Sieg der Hertha gegen Frankfurt im August 2013 zeigen. Das passierte am ersten Spieltag der Saison, und es trafen je zweimal Adrian Ramos und Sami Allagui, dazu gab es Tore von John Anthony Brooks und von Ronny. Im Fußball ist ja alles möglich. Sogar bei Hertha.