Jordan Torunarigha (l.) und Dedryck Boyata räumen vor dem eigenen Tor auf.
Jordan Torunarigha (l.) und Dedryck Boyata räumen vor dem eigenen Tor auf. Foto: Dortmund Poolfotos Groothuis/Witters

Ein sehr erfahrener Trainer gab mir einmal folgende Weisheit mit auf den Weg: „Gute Mannschaften werden von hinten heraus gebaut und man achtet zuerst auf die Verteidigung.“ Es war der Schweizer Lucien Favre, der mir so seine Sichtweise erzählte.

Daran musste ich in diesen Tagen denken, weil über die beiden Innenverteidiger von Hertha, Dedryck Boyata und Jordan Torunarigha, zuletzt ein Füllhorn an Lob ausgeschüttet wurde. Und das zu Recht. Daran ändert auch die hohe Niederlage gegen Frankfurt nichts. Die wurde durch die unglückliche und harte Rote Karte für Boyata eingeleitet.

Seitdem das Duo verteidigt  - Labbadia stellte die beiden zusammen - war meine Befürchtung, es könnte schlimme Klatschen geben wie beim 0:4 in Augsburg unter Ante Covic oder beim 0:5 gegen Köln unter Alexander Nouri wie weggeblasen. Denn der Cheftrainer baute bislang in allen sechs Partien nach dem Re-Start der Liga auf Boyata (29) und den 22-jährigen Torunarigha. Da scheinen sich zwei gesucht und gefunden zu haben. Sie organisierten bislang oft vorbildlich die Defensive. Als Labbadia im April nach Berlin kam, herrschte vor allem auf den Schlüsselpositionen Torwart, Innenverteidigung oder dem Sechser im Mittelfeld keinerlei Kontinuität. Das ist Gott sei Dank vorbei. Boyata besticht durch seine Zweikampf-und Kopfballstärke, ist aber ab und an zu ungestüm. Der wuchtige Torunarigha zeigt Präsenz und kann auch das Spiel intelligent eröffnen.

Starke Innenverteidiger-Gespanne haben bei Hertha durchaus Tradition. In Berliner Champions-League-Zeiten 1999/2000 sorgten der Holländer Dick van Burik und der Isländer Eyjölfur Sverrisson für Stabilität, und das für lange Zeit. Später stieg das Duo Arne Friedrich und Josip Simunic sogar zu einem der besten Innenverteidiger-Paare der Liga auf. Wie war das damals gelungen?

Ein Anruf bei Josip Simunic in Zagreb. Der 42-Jährige trainiert derzeit die U19-Auswahl von Kroatien. „Ich sehe fast alle Hertha-Spiele im Fernsehen. Was Boyata und Torunarigha derzeit machen, ist top“, erzählt Simunic, „und zu meiner Zeit neben Arne zu spielen, war einfach für mich. Er war zweikampfstark und behielt stets die Übersicht. Er machte kaum Fehler und grätschte auch dazwischen. Wir haben uns sehr gut ergänzt.“

Der Kroate, der 2004/05 zum besten Innenverteidiger der Liga gewählt worden war, und  Hertha-Kapitän Friedrich brauchten einige Zeit, um „zu dem am schwierigsten zu überwindenden Bollwerk der Liga“ zu werden, wie einst die „Frankfurter Rundschau“ schrieb. Vor allem Simunic hatte lange Zeit mit sich selbst zu tun, haderte ewig, wenn er einen Fehler begangen hatte. Später aber gewann er unter Lucien Favre in der Saison 2008/09 mehr als 70 Prozent seiner Zweikämpfe. Spitze! Das Magazin „Kicker“ wählte Simunic und Friedrich seinerzeit in die „Elf der Saison“.

Auch ich habe noch einige Szenen in Erinnerung, in denen Simunic elegant und voller Risiko Gegenspieler im eigenen Strafraum umspielte.  „Manch Trainer bekam fast einen Herzinfarkt“, gibt der 1,95 Meter große Schlacks nun zu, „aber ich fühlte mich sicher und habe viele Situation spielerisch gelöst.“ Simunic meint, dass früher die Innenverteidiger vor allem groß und athletisch sein mussten, „heute sind sie fußballerisch viel besser. Wie Boyata und Torunarigha.“

Dass Boyata nach seiner Roten Karte im Spiel gegen Eintracht Frankfurt nun das eingespielte Innerverteidiger-Duo sprengt, ist bitter. Der temperamentvolle Belgier sollte in Sachen Platzverweise Josip Simunic auf keinen Fall nacheifern. Der flog in 222 Spielen für Hertha viermal mit Gelb-Rot und einmal mit Rot vom Platz.