So schlecht steht es wirklich um Hertha: Diesen Teufelskreis vollendeten die Blau-Weißen zweimal mit dem Abstieg
Die aktuelle Situation hat erschreckend viele Parallelen zu den Abstiegen 2010 und 2012.

Wenn ich Herthas Bilanz im Jahr 2022 sehe – drei Heimpleiten in Liga und DFB-Pokal und ein torloses Remis beim ebenfalls heftig kriselnden VfL Wolfsburg –, erinnert mich das fatal an Sieglos-Serien in den Jahren 2010 und 2012, die stets im Monat Mai mit dem Abstieg endeten. Damals wie heute erklären Spieler und Trainer nach jedem Duell, dass man hart arbeite, gut trainiere und das bald alles besser wird. Nur am Spieltag selbst ist davon oft wenig zu erkennen.
Hertha darf die Entwicklung nicht unterschätzen und glauben, man habe ja einen Kader, der gut genug für den Klassenerhalt oder gar noch mehr ist. Diesen Fehler haben etwa die Liga-Urgesteine Schalke 04, Werder Bremen oder der einst ruhmreiche HSV gemacht. Sie sind nun die Attraktion in Liga zwei.
Viele Parallelen zu den Hertha-Abstiegen
Es gibt derzeit einige Parallelen zu den beiden Abstiegen der Hertha vor zwölf und vor zehn Jahren, die ich hautnah erlebte. Unter den Trainern Lucien Favre und später Friedhelm Funkel waren 2010 vor Saisonstart starke Spieler aus finanziellen Gründen abgegeben worden. Torjäger Marko Pantelic zog weiter zu Ajax Amsterdam, Abwehr-Ass Josip Simunic wechselte nach Hoffenheim. Vor dieser Spielzeit 2021/22 wurden die Ego-Profis Matheus Cunha, Dodi Lukebakio und Jhon Cordoba abgegeben, die allerdings ab und an für etwas Glanz und Tore gesorgt hatten.

2012 war der Abstieg auch hausgemacht nach Auseinandersetzungen zwischen Trainer Markus Babbel und Manager Michael Preetz. Fatale Entscheidungen in der Trainerfrage konnte auch Altmeister Otto Rehhagel, den Preetz in höchster Not reaktiviert hatte, nicht ausgleichen. Vier Fußball-Lehrer versuchten, den Abstieg zu verhindern. Nach einer 0:5-Niederlage am 21. Spieltag beim VfB Stuttgart wurde Babbel-Nachfolger Michael Skibbe entlassen und 200 frustrierte Hertha-Fans stürmten das Trainingsgelände. Die Wiederholung, allerdings in deutlich moderaterer Form, folgte am zurückliegenden Sonnabend, als etwa 80 Fans das Geheimtraining störten und auf den Rasen liefen.
Hertha von Union überholt
Nach beiden Abstiegen schaffte Hertha einst sofort den Wiederaufstieg. Damals war der Klub noch der alleinige Platzhirsch im Berliner Profifußball und die Fans aus der ganzen Stadt unterstützten die Mannschaft. Der Zuschauerschnitt in der Zweiten Liga lag bei überaus stattlichen 46.000 Fans. Doch das Alleinstellungsmerkmal, der viel beachtete Hauptstadtklub zu sein, hat auch träge und selbstgefällig gemacht. Derzeit ist Hertha vom Stadtrivalen 1. FC Union auf vielen Gebieten überholt worden. Das ist eine neue Situation für den etablierten Erstligisten.
Ganz klar, Sportchef Fredi Bobic steht vor einer Herkulesaufgabe. Er muss mit den Fehlern seines Vorgängers leben, der vor allem ein unausgegorenes Aufgebot hinterlassen hatte und Spieler verpflichtete, die als Team oft nicht funktionierten.
Bobic sagt, es brauche Zeit, den „Kader zu drehen“. Muss nicht bei Hertha auch ein weiteres Umdenken bei Transfers einsetzen? Die Sucht und auch der öffentliche Druck, große Namen zu verpflichten, war lange vorhanden. Bei Union setzte man dagegen auf zahlreiche Profis, die in ihren ehemaligen Klubs keine große Perspektive mehr besaßen, die aber in der familiären, dennoch hochprofessionellen Atmosphäre in der Alten Försterei zu einem starken Kollektiv reiften.
Bobic sucht Siegermentalität
Bobic will auch Spieler mit starker Siegermentalität. Doch diese ließ das Team vor allem in beiden Duellen mit dem 1. FC Union vermissen – in der Liga und nun im Pokal. Bobic sagte: „Die Spieler müssen mit dem Messer zwischen den Zähnen rausrennen“. Doch von Messern und Zähnen fehlte jede Spur.
Das Schlimme: die Profis begehen immer wieder dieselben Fehler. 14 Gegentreffer nach Standardsituationen, 12 Gegentore durch Kopfbälle sind des Schlechten zu viel. Bobic will nun den Kaderumbau forcieren. Mit Marc Oliver Kempf vom VfB Stuttgart lotste er nach Frederik Björkan bereits zwei Verteidiger im Winter nach Berlin. Sollten weitere Spieler kommen, müssen diese Sofort-Hilfe leisten können.
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