Hertha-Kolumne

Sanierungsfall Hertha BSC: Es ging nicht immer gut aus

Im Westend nichts Neues: Um die Lizenz kämpften Blau-Weiße oft härter als um Titel und verloren so manchen heroischen Kampf.

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Präsident Kay Bernstein (l.) und Geschäftsführer Thomas E. Herrich sind die Hauptdarsteller der aktuellen Neuauflage von Hertha BSC kämpft um die Lizenz.
Präsident Kay Bernstein (l.) und Geschäftsführer Thomas E. Herrich sind die Hauptdarsteller der aktuellen Neuauflage von Hertha BSC kämpft um die Lizenz.Foto: City-Press

Der wahnsinnig aufregende letzte Spieltag der Bundesliga begann für mich mit einer Art „Klassentreffen“ – allerdings bei Herthas meilenweit enteilten Stadtrivalen 1. FC Union! Der Ehrenrat der Köpenicker hatte eine wunderbare Idee und lud Spieler, Trainer und auch Journalisten zu einer fröhlichen Dampferfahrt auf der Spree ein – allesamt Zeitzeugen, die vor 35 Jahren bei einem der dramatischsten Duelle der Vereinsgeschichte dabei waren. Exakt am 28. Mai 1988, dem letzten Spieltag der DDR-Oberliga, siegte Union beim FC Karl-Marx-Stadt in letzter Sekunde mit 3:2 und blieb erstklassig. Mein Kolumnen-Kollege Andreas Baingo (für das Deutsche Sportecho) und ich (für die Berliner Zeitung) waren damals als Reporter vor Ort. Auf der „Victoria“ gab es nun ein Wiedersehen mit den längst ergrauten Helden von einst.

Nach der Tour auf der Spree flanierte ich durch die Bahnhofstraße in Köpenick. Irgendwie lag eine Sensation in der Luft – gut zwei Stunden vor dem Spiel der Unioner gegen Werder Bremen, das den Eisernen die Champions League bringen sollte. Der Kiez war mit tausenden erwartungsfrohen Menschen überfüllt. Beinahe jeder trug ein rotes Trikot. Ein wenig neidisch wurde ich schon, da zur gleichen Zeit die Hertha in Wolfsburg nur noch um die „goldene Ananas“ spielte. Während Union in die „Königsklasse“ einzog (Klasse!), in der Hertha 1999/2000 für Furore sorgte (schön war die Zeit!), kämpfen die abgestiegenen Herthaner nun heftig um die Lizenzerteilung für die Zweite Bundesliga.

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Lizenzprobleme haben eine lange Geschichte bei Hertha BSC

Permanente Lizenzprobleme gehören allerdings zur schillernden Geschichte von Hertha BSC. Die jeweiligen Finanzchefs, früher auch Schatzmeister genannt, obwohl sie selten Schätze verwalteten, mussten äußerst kreativ sein, um die Löcher in der Kasse zu stopfen oder zu kaschieren. Günter Herzog, der erste Schatzmeister der Hertha bei Gründung der Bundesliga 1963, war im Beruf Bestattungsunternehmer. Als er sein Amt antrat, fehlten in der Kasse 190.000 Mark. „Hertha lebte von der Hand in den Mund“, erzählte mir Herzog einmal Ende der 1990er Jahre. Um die Bilanzen zu schönen, ließ man damals 55.000 Eintrittskarten schwarz drucken, die in die Bücher kamen. Über diesen Weg, der Erlös waren 165.000 Mark, wurden die Besuche der DFB-Finanzprüfer zuerst überstanden. Die Tickets versteckte Herzog in Särgen seines Unternehmens in Schöneberg. Doch der Zwangsabstieg 1965 wegen Zahlung überhöhter Gehälter und Handgelder war nicht zu verhindern.

Auch Anfang der 1970er Jahre plagten den Verein wirtschaftliche Probleme. Nach der Beteiligung von 15 Spielern am großen Bundesliga-Skandal, als Bestechungsgelder angenommen worden waren, sanken die Zuschauerzahlen dramatisch. Herthas Fans bestraften den Verein, wollten ehrlichen Fußball sehen. Der Klub stand vor der Pleite. Nur der Verkauf der „Plumpe“, des legendären Hertha-Platzes in Gesundbrunnen, konnte den Konkurs abwenden. Für 6,2 Millionen Mark opferte Hertha sein Herzstück und hatte alle Schulden los.

Hertha BSC verkaufte von Spielern bis zum Vereinsgelände alles

Doch bereits 1978/79 erteilte der DFB Hertha die Auflage, mindestens eine Million Mark durch Spielerverkäufe zu erwirtschaften, um die Lizenz zu bekommen. Die Ablösesummen für Norbert Nigbur, Hanne Weiner, Erich Beer und Karl-Heinz Granitza retteten die Spielerlaubnis.

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Ich kann an dieser Stelle nicht alle Kämpfe um die Lizenz aufzählen, dafür reicht der Platz nicht aus. Vor rund 30 Jahren begann die Zeit, als Rechtevermarkter Ufa der Hertha in der Not half. Vor dem Einstieg der Hamburger 1993/94 war „Hertha klinisch tot“, wie der ehemalige Ufa-Geschäftsführer Bernd Hoffmann sagte. Später traten Investoren auf den Plan wie Kohlberg Kravis Roberts (KKR) aus New York City im Jahr 2014 und Lars Windhorst im Jahr 2019. Dennoch ist nun die Lage dramatisch. Vom gegenwärtigen Hertha-Geschäftsführer Thomas E. Herrich stammt das aktuelle Urteil: „Hertha ist ein Sanierungsfall!“ Wie sich die Worte mit denen vom einstigen Ufa-Boss doch ähneln! In Westend nichts Neues.