Hertha BSC und Trainer Sandro Schwarz bauten in Sinsheim mit einer Nicht-Leistung die TSG Hoffenheim wieder auf und retteten TSG-Trainer Pellegrino Materazzo den Job. 
Hertha BSC und Trainer Sandro Schwarz bauten in Sinsheim mit einer Nicht-Leistung die TSG Hoffenheim wieder auf und retteten TSG-Trainer Pellegrino Materazzo den Job.  foto2press/imago

Nach dem jüngsten Auftritt von Hertha BSC vor der Länderspielpause bei der TSG 1899 Hoffenheim fehlten mir anschließend die Worte. Das Team von Trainer Sandro Schwarz präsentierte sich in diesem eminent wichtigen Duell ohne Biss, ohne Power, ohne Ideen! Dabei hatte man versprochen, sich zu Zerreißen im dramatischen Kampf um den Klassenerhalt. Viel heiße Luft! Die Profis produzierten jede Menge dummer Fehler, die bei manchem hochbezahlten Akteur Zweifel an dessen Erstligatauglichkeit nährten. Was soll man über diese desolate Vorstellung noch schreiben? Vor allem, weil sich solche Auftritte wiederholen. Eigentlich ist fast alles gesagt.

Mir fiel ein, wie einst kritische Kollegen mit desolaten Auftritten von Fußballern umgingen. Das ist sehr lange her und passierte zu DDR-Zeiten. Am 2. Oktober 1987 ließen die Redakteure der Tageszeitung „Junge Welt“ – damals mit einer Millionen-Auflage versehen – die Zeitungsspalten der Rubrik „Verlängerung mit Einwürfen“ leer unter der Überschrift: „Drei schieden aus – Kommentar überflüssig“. Die Aktion „Weißer Fleck“ sorgte für ungeheures Aufsehen. Was war passiert?

Für Hertha BSC geht es nur noch ums nackte Überleben

Drei Oberliga-Klubs waren in den verschiedenen Europapokal-Wettbewerben am gleichen Tag bereits in Runde eins sang-und klanglos ausgeschieden: Der BFC Dynamo bei den Landesmeistern gegen Girondins Bordeaux, der 1. FC Lok Leipzig bei den Pokalsiegern gegen Olympique Marseille und Dynamo Dresden im Uefa-Cup gegen Spartak Moskau. Nur die kleine Betriebssportgemeinschaft (BSG) Wismut Aue kam im Uefa-Pokal gegen Valur Reykjavik eine Runde weiter. Zusatzkommentar der Junge-Welt-Sportredakteure: „Den Wismut-Kumpeln aus Aue wünschen wir viel Erfolg für die nächste Runde.“

Besonders auswärts, wie hier beim 1:3 in Bochum, verteilt Hertha BSC gern Geschenke an die Gegner. 
Besonders auswärts, wie hier beim 1:3 in Bochum, verteilt Hertha BSC gern Geschenke an die Gegner.  Sven Simon/imago

Nun geht es bei der Hertha schon lange nicht mehr um Duelle in den Europacup-Wettbewerben – das letzte Spiel dieser Art war unter Trainer Pal Dardai ein 1:1 gegen Östersunds FK im Dezember 2017 – sondern ums nackte Überleben in der ersten Bundesliga.

Hertha BSC ist im Abstiegskampf der Krösus unter den Bettlern

Hertha-Trainer Sandro Schwarz, der von Glück reden kann, mit seiner desaströsen Bilanz (vier Punkte in der Fremde, zuletzt acht Niederlagen in Serie bei Auswärtsspielen mit 7:23 Toren) weiter im Amt bleiben zu dürfen, sagte unlängst: „Fünf Mannschaften kämpfen um den Klassenerhalt, auch wir!“

Filip Uremovic verursachte bei der TSG Hoffenheim bereits den dritten Elfmeter in dieser Saison und wirkt wie andere Spieler von Hertha BSC oft nicht bundesligatauglich. 
Filip Uremovic verursachte bei der TSG Hoffenheim bereits den dritten Elfmeter in dieser Saison und wirkt wie andere Spieler von Hertha BSC oft nicht bundesligatauglich.  Jan Huebner/imago

Nach Hoffenheim ist Hertha der Krösus unter den Bettlern. Zweimal bettelte man um einen Elfmeter. Warum Tolga Cigerci bei einem Eckball im Strafraum beide Arme in die Luft reckte und eine „Volleyball-Abwehr“ versuchte, bleibt sein Geheimnis. Und Filip Uremovic, wieder einmal zu langsam, foulte ungestüm TSG-Angreifer Ihlas Bebou. Der Kroate verursachte in dieser Saison bereits den dritten Strafstoß – auch ein Rekord! Auffällig sind die schweren Konzentrationsmängel, die sich immer wieder am Spielende zeigen. Allein sieben Gegentore fielen in der Schlussphase von Minute 85 bis in die oft überlange Nachspielzeit.

Hertha BSC kassiert viele Gegentore in der Schlussphase 

Einige Entwicklungen im Abstiegskampf laufen derzeit diametral. Der VfL Bochum und das einst schon völlig abgeschriebene Schalke 04 (seit acht Spielen ungeschlagen) Malochen bis zur Erschöpfung – kein Wunder, sie kommen aus dem Ruhrpott.

Bei Hertha aber vermisst man den Einsatz von 110 Prozent und das „Brennen für den Verein“, wie es Präsident Kay Bernstein fordert, viel zu häufig. Warum das so ist, bleibt mir schleierhaft. Sind einige der Profis tatsächlich nicht erstligatauglich oder in Gedanken schon auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber? Oder kann der Trainer das im Moment eher bescheidene Potenzial nicht mehr wecken?

Hertha BSC baut alle Verlierer wieder auf

Ich flüchte mich in Ironie und stelle fest: Hertha ist wenigstens Spitze als eine total soziale Mannschaft: Sie hilft Vereinen, die lange auf der Verliererstraße waren, auf die Beine und rettet Trainer, die vor der Entlassung standen, gern den Job. Siehe Hoffenheim und Pellegrino Matarazzo.

Übrigens, um auf den ungewöhnlichen „Weißen Fleck“ in der Jungen Welt von 1987 zurückzukommen: Die Wismut-Kumpel aus Aue schieden in Runde zwei des Uefa-Pokals gegen Flamutari Vlora aus Albanien leider aus…

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