Neue Serie: Die Väter des Hertha-Absturzes

Mittelstürmer Wilfried Kanga blieb bei Hertha BSC lediglich ein großes Versprechen

Der KURIER hat die Rangliste des Versagens bei den Blau-Weißen erstellt. Auf Platz 17: Wilfried Kanga

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Ein Bild mit Symbolcharakter: Wilfried Kanga sitzt enttäuscht auf dem Boden.
Ein Bild mit Symbolcharakter: Wilfried Kanga sitzt enttäuscht auf dem Boden.Jürgen Engler/Nordphoto/imago

Der Niedergang von Hertha BSC deutete sich über vier Jahre an und endete mit dem Abstieg in die Zweite Bundesliga. Er ist die Folge eines kollektiven Versagens. Dennoch gibt es Protagonisten des Absturzes und Ereignisse, die den tiefen Fall beschleunigten. Auf Rang 17: Mittelstürmer Wilfried Kanga.

Wo war eigentlich dieser Wilfried Kanga in der Endphase der Saison? Eine Verletzung lag definitiv nicht vor. Der Franko-Ivorer, 25 Jahre alt, war im Sommer 2022 die teuerste Verpflichtung von Hertha. Für 4,5 Millionen Euro holte ihn Sportchef Fredi Bobic vom Schweizer Meister Young Boys Bern und stattete den bulligen Typ – 1,89 Meter groß, 90 Kilo schwer – mit einem langen Vertrag bis Juni 2026 aus.

Kanga, um auf die Eingangsfrage zu kommen, stand in den letzten vier Spielen der Saison, also mitten im dramatischen Abstiegskampf, nicht einmal mehr im Kader von Trainer Pal Dardai. Gegen Stuttgart, Köln, Bochum und zuletzt in Wolfsburg verzichtete Dardai auf die Dienste des Mittelstürmers, der lange als die Nummer eins in der Stürmer-Hierarchie galt.

Hertha-Coach Dardai bemängelte Kangas Körpersprache

Dardai hatte nach der 2:4-Niederlage gegen Werder Bremen, seinem ersten von sechs Endspielen als Nachfolger von Sandro Schwarz, gesagt, Kanga fehle es an der entsprechenden Körpersprache. „Das war in der ganzen Woche nicht genug.“ Dennoch hatte der Ungar den Mittelstürmer nicht abgeschrieben. „Wenn er seinen Einsatz seinem Aussehen anpasst, kann er von null auf hundert dabei sein, auch in der Startelf. Aber ich kann es nicht leiden, wenn sich einer im Training wohlfühlt, wenn er nur zwei Zweikämpfe gewinnt. Das geht nicht. Wir wollen ein bisschen was sehen. Nächste Woche werde ich mit Röntgenaugen auf die Leistungen schauen.“ Eine klare Ansage. Doch offenbar war Kanga danach durch den Röntgen-Test gefallen.

Hertha BSC hatte in seiner Bundesliga-Geschichte viele starke und erfolgreiche Mittelstürmer unter Vertrag, die das taten, wofür sie geholt worden waren: Tore schießen. Von Karl Heinz Granitza (34 Treffer), über Michael Preetz (84), Marko Pantelic (45) bis Vedad Ibisevic (auch 45 Treffer). Sie alle stehen unter den Top Acht der internen Torjägerrangliste der Hertha. Wilfried Kanga, das ist sicher, wird sich diesem exklusiven Zirkel überhaupt nicht annähern können. Seine Bilanz in dieser Abstiegssaison ist äußerst mager: In 23 Einsätzen kam er lediglich zu zwei Toren, blieb ohne Assist. 15-mal gehörte er zur Startelf, wurde achtmal ausgewechselt. Zum durchaus möglichen Klassenerhalt konnte Kanga nicht viel beitragen.

Wilfried Kanga bei seinem letzten Einsatz der Saison für Hertha: Pal Dardai wechselt ihn gegen Bayern München ein.
Wilfried Kanga bei seinem letzten Einsatz der Saison für Hertha: Pal Dardai wechselt ihn gegen Bayern München ein.City-Press/Jan-Philipp Burmann

Hertha holte zuvor im Jahr 2020 den Kolumbianer Jhon Cordoba, auch einen klassischen Mittelstürmer, für die stolze Ablöse von 15 Millionen Euro vom 1. FC Köln (sieben Tore, zwei Assists für Hertha). Der kraftvolle Angreifer wurde aber nach nur einer Saison wegen des lukrativen Angebots von FK Krasnodar (20 Millionen Euro Ablöse) wieder verkauft. Danach war die Position im Sturmzentrum vakant. Mit Kanga holte man einen ähnlichen Stürmertyp, der aber nur ein großes Versprechen blieb. Im Februar bremste Kanga allerdings eine komplizierte Zehenverletzung aus. In fünf Spielen stand er nicht zur Verfügung.

Schon beim Transfer zu Hertha war Kanga eigentlich nur zweite Wahl

Als vor der Spielzeit 2022/23 Stadtrivale 1. FC Union zuerst den Mittelstürmer Jordan Siebatcheu von Young Boys Bern holte und Hertha mit dessen Teamkameraden Wilfried Kanga nachzog, galt der Neu-Herthaner als zweite Wahl gegenüber Siebatcheu. Immerhin war Jordan der Torschützenkönig der Schweizer Liga. Der ehemalige Top-Stürmer Stephan Chapuisat, Chefscout in Bern, lobte allerdings die Verpflichtung von Sportchef Fredi Bobic: „Kanga ist schnell und beidfüßig. Er ist ein wuchtiger Typ, torgefährlich und mannschaftsdienlich.“

Letzteres hat Kanga auch in Berlin bewiesen, aber große Torgefahr strahlte er selten aus und vergab zudem überhastet viele Chancen. Herthas Torjäger aus den 1970er-Jahren, Karl-Heinz Granitza, auch einst Scout bei Chelsea London, fällte ein hartes Urteil: „Kangas Qualitäten reichen nicht aus für die Erste Bundesliga!“

Trotz seines langen Vertrags bis 2026 kann Kanga bei einem guten Angebot den Verein verlassen. Der „Berliner Weg“ wird wohl ohne ihn starten.

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