Serie: Die Väter des Hertha-Absturzes

Kurzzeit-Boss Schmidt bei Hertha BSC: Große Pläne, zu wenig Ausdauer

Der KURIER hat eine Rangliste des Versagens bei den Blau-Weißen erstellt. Auf Platz 14: Ex-CEO Carsten Schmidt.

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Ex-Präsident Werner Gegenbauer zusammen mit Carsten Schmidt (r.) bei einem Hertha-Spiel im Olympiastadion.
Ex-Präsident Werner Gegenbauer zusammen mit Carsten Schmidt (r.) bei einem Hertha-Spiel im Olympiastadion.Imago/Matthias Koch

Der Niedergang von Hertha BSC deutete sich über vier Jahre an und endete mit dem Abstieg in die Zweite Bundesliga. Er ist die Folge eines kollektiven Versagens. Dennoch gibt es Protagonisten des Absturzes und Ereignisse, die den tiefen Fall beschleunigten. Platz 14: Ex-CEO Carsten Schmidt.

Carsten Schmidt, ein überaus erfahrener Medienmanager, hatte ein Faible für große Symbolik. Für seine Ziele mit Hertha BSC, wo er am 1. Dezember 2020 als Vorsitzender der Geschäftsführung (CEO) eingestiegen war, nahm er sich die 69 Meter hohe Siegessäule mit der großen goldenen Skulptur auf der Spitze, der Siegesgöttin Victoria, zum Vorbild.

Diese richtet auf dem Großen Stern ihren Blick gen Westen, da wo Hertha beheimatet ist. Das Berliner Wahrzeichen wird im Volksmund die „Goldelse“ genannt – ein Name, den Schmidt später seinem großen Projekt verpasste, mit dem er den Traditionsklub zukunftssicher machen und in die nationale Spitze führen wollte.

Der langjährige Chef von Sky Deutschland kam in einer Zeit zu Hertha, als es sportlich schlecht lief und übernahm einen Posten, den es so lange nicht im Klub gegeben hatte. Einst firmierte auch Dieter Hoeneß als Vorsitzender der Geschäftsführung, was allerdings viele Jahre zurückliegt.

Schmidt wurde Boss von Preetz und Schiller bei Hertha BSC

Schmidt wurde der Vorgesetzte der beiden Geschäftsführer Sport (Michael Preetz) und Finanzen (Ingo Schiller). Der neue starke Mann sollte neben seiner Gesamtverantwortung die Bereiche Marketing, Vertrieb, Strategie, Unternehmenskommunikation und Internationalisierung direkt verantworten, hieß es in einer Erklärung der Hertha.

Als der glänzend vernetzte Manager Anfang Dezember 2020 seinen Dienst antrat, stand die Mannschaft nur auf Rang 13 der Bundesliga. Nur wenige Wochen später griff der eloquente Schmidt, der öffentlich meist ruhig und sachlich agierte, hart durch. Nach mehreren Pleiten in Serie und einer desaströsen 1:4-Niederlage im Olympiastadion gegen Werder Bremen mussten Manager Michael Preetz und Trainer Bruno Labbadia gehen. Vor allem die Trennung von Preetz, der 2009 Dieter Hoeneß beerbt hatte, bedeutete einen tiefen Einschnitt. 

Schmidt ließ Hertha von externen Beratern teuer durchleuchten

Parallel zu den personellen Veränderungen – Pal Dardai hatte die Mannschaft übernommen – ließ Schmidt die gesamten Strukturen im Klub analysieren und durchforsten. Er wollte eine strategische Handlungsanweisung erarbeiten für die Zukunft des Vereins und nannte das Projekt öffentlichkeitswirksam „Goldelse“.

Insgesamt 40 konkrete Maßnahmen für sechs verschiedene Bereiche im Klub und für die kommenden vier Jahre wurden entwickelt. Über mehrere Monate wurden die Zustände im Klub genau unter die Lupe genommen und daraus Schlüsse gezogen. Schmidt hatte sich dafür auch externe Beratung ins Haus geholt, die dem Vernehmen nach eine höhere sechsstellige Summe gekostet hat.

So weit, so nachvollziehbar. Als Carsten Schmidt aber Anfang März 2021 – das Team kämpfte vehement gegen den Abstieg und die Auswirkungen des Coronavirus – dem Marketing-Magazin „Horizont“ ein großes Interview gab, staunten viele ob der offensiven Ankündigungen, die angesichts der prekären aktuellen Lage recht großspurig wirkten.

„Wir wollen die größte Aufholjagd, die der deutsche und vielleicht der internationale Fußball je erlebt hat“! So jedenfalls Schmidt. Für ihn hieß das zuerst, „sich ins obere Drittel der Tabelle vorarbeiten.“ Nach dem Klassenerhalt, von dem Schmidt ausging, sollten die Ziele bedeutend höher geschraubt werden. „Unsere Ambition ist, dass Hertha die Stadt deutschlandweit, aber in Zukunft auch international repräsentiert. Bestenfalls als Regel, nicht als Ausnahme.“

Trainer Pal Dardai am Rande eines Testspiels in Österreich im Gespräch mit Herthas oberstem Boss Carsten Schmidt.
Trainer Pal Dardai am Rande eines Testspiels in Österreich im Gespräch mit Herthas oberstem Boss Carsten Schmidt.

Es schien, als lebe Hertha in einer Parallel-Welt – aktuell im Abstiegskampf und auf der anderen Seite mit riesigen Ambitionen. Irgendwie erinnerte das großspurig wirkende Projekt „Goldelse“ ein wenig an die Hertha aus dem Jahr 2000. Damals stellte man den Antrag auf Aufnahme in die G14, den erlauchten Kreis der besten Mannschaften Europas – nur, weil man zum ersten Mal die Champions League erreicht hatte.

Fredi Bobic, der am 1. Juni 2021 zum neuen Geschäftsführer Sport bestellt wurde, setzte die „Goldelse“ mit Umbaumaßnahmen im Klub zum Teil fort, denn Ideengeber Carsten Schmidt löste bereits am 12. Oktober 2021 nach nur zehneinhalb Monaten seinen Vertrag als CEO bei Hertha BSC aus rein persönlichen Gründen auf. Eine schwere Krankheit in der Familie ließ ihn seine Arbeit nicht fortsetzen. Das Projekt „Goldelse“ ist längst in den untersten Schubladen der neuen Klubchefs verschwunden. Es gibt ganz andere, sogar existenzielle Probleme zu lösen.

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