Große Serie: Die Väter des Hertha-Absturzes

Krzysztof Piatek – der teure Hertha-BSC-Pistolero besticht nur mit Ladehemmung

Der Mittelstürmer aus Polen wurde in Berlin nie heimisch und funktioniert wohl nur in Italien.

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Torjubel ist Geschmackssache: Kris Piatek feiert nach einem Erfolg gern als Pistolero. Leider nur viel zu selten für Hertha BSC.
Torjubel ist Geschmackssache: Kris Piatek feiert nach einem Erfolg gern als Pistolero. Leider nur viel zu selten für Hertha BSC.Jan Huebner/Imago

Der Niedergang von Hertha BSC deutete sich über vier Jahre an und endete mit dem Abstieg in die Zweite Bundesliga. Er ist die Folge eines kollektiven Versagens. Dennoch gibt es Protagonisten des Absturzes und Ereignisse, die den tiefen Fall beschleunigten. Die Väter des Absturzes – der KURIER hat die Rangliste des Versagens erstellt. Platz 9: Krzysztof Piatek.

Der polnische Mittelstürmer Krzysztof Piatek, der Hertha BSC einst in höhere Sphären schießen sollte, besitzt ein kurioses Alleinstellungsmerkmal. Der ausgewiesene Torjäger, der nach seinen Erfolgen in Italiens Serie A ehrfürchtig „Il Pistolero“ genannt wurde, feiert seine Treffer stets mit einem ausgefallenen Jubel. Er ahmt mit den Fingern beider Hände jeweils eine Pistole nach, mit der er mehrmals in die Luft schießt. In seiner Heimat Polen hat sich der Nationalspieler diesen Jubel sogar patentieren lassen! Firmen dürfen nicht ohne sein Einverständnis mit ihm als „Pistolero“ werben. „Andere Spieler sind aber nicht betroffen“, erklärte Piatek einst. Sie dürfen, wenn sie wollen, ähnlich über Treffer jubeln.

Jürgen Klinsmann holt Piatek vom AC Mailand

Am letzten Tag des Wintertransferfensters im Januar 2020 holten Manager Michael Preetz und Cheftrainer Jürgen Klinsmann den wuchtigen, athletischen Mann nach Berlin. Der abgebende Klub war kein Geringerer als der große AC Mailand. Piatek passte in die Zeit des Kaufrausches, als Hertha die ersten Millionen von Investor Lars Windhorst auch in neue Profis steckte. Piatek gehörte zum berühmten Viererpack, den das Duo Preetz/Klinsmann zu Hertha lockte: Lucas Tousart, Matheus Cunha, Santiago Ascacibar und eben Piatek.

Nach dem Franzosen Tousart (25 Millionen Ablöse) stieg der polnische Stürmer zum zweitteuersten Profi in der Hertha-Geschichte auf und ist das bis zum heutigen Tag geblieben. Preetz und Finanzchef Ingo Schiller überwiesen 24 Millionen Euro an Ablöse nach Mailand und statteten den Stürmer mit einem langfristigen Vertrag bis Sommer 2025 aus. Er soll dem Vernehmen nach rund 3,5 Millionen Euro netto bei Hertha verdienen.

Manager Preetz jubelte: „Mit Krzysztof sind wir im Angriff breit aufgestellt. Er hat in Italien bewiesen, welch starker Typ er ist.“ Auch Jürgen Klinsmann, selbst einst ein Weltklassestürmer, versprach sich sehr viel von Piatek: „Er bringt uns eine klare Qualitätssteigerung.“

Zlatan Ibrahimovic verdrängt Piatek bei Milan

Der Vielgelobte gab sich nach seiner Verpflichtung angriffslustig: „Ich bin scharf, Tore zu schießen. Und ich denke, dass ich mich unter Klinsmann weiterentwickeln kann.“ Doch der Trainer war schnell wieder aus Berlin verschwunden und Piatek musste mit Alexander Nouri und danach mit Bruno Labbadia arbeiten.

Auch diese beiden Trainer kannten die Meriten von Piatek aus Italien, wo er als Torjäger stets bestens funktioniert hatte. Als der Profi im Sommer 2018 seine Heimat verließ und sich dem Serie-A-Klub CFC Genua 1893 anschloss, zahlte der Traditionsklub, der heute zum Portfolio von Hertha-Investor 777 Partners gehört, 4,5 Millionen Euro Ablöse. Piatek begeisterte die Tifosi und kam in 21 Spielen auf die Top-Torquote von 19 Treffern. Schnell wurde die zahlungskräftige Konkurrenz aus Mailand auf ihn aufmerksam und der nächste Karriereschritt folgte.

Für den AC Mailand jubelt Kris Piatek regelmäßig, wie hier gegen Lazio Rom.
Für den AC Mailand jubelt Kris Piatek regelmäßig, wie hier gegen Lazio Rom.ZUMA Press/Imago

Der AC Mailand ließ sich die Verpflichtung des „Pistolero“ satte 35 Millionen Euro an Ablöse kosten. Auch bei den „Rossoneri“ traf er zuverlässig (41 Spiele/16 Tore), verlor aber seinen Stammplatz im Angriff, als Milan den Superstar Zlatan Ibrahimovic holte. Am Schweden kam Piatek nicht vorbei. „Vielleicht hatte ich zu wenig Geduld“, sagte Piatek, „aber ich konnte mir nicht vorstellen, fünf oder sechs Spiele hintereinander auf der Bank zu sitzen.“ Er äußerte seinen Wechselwunsch. So kam der Stürmer nach Berlin.

Vedad Ibisevic und Dodi Lukebakio trafen besser

Piateks Pech war es allerdings, dass er in seiner ersten Saison in eine Phase mit unzähligen Turbulenzen mit drei Trainern bei Hertha geriet. Als reiner Strafraumspieler kam er sich oft einsam auf dem Platz vor. Er passte nicht richtig zur Spielweise der Berliner, kam in 15 Einsätzen lediglich auf vier Treffer. Seine Konkurrenten im Angriff, Vedad Ibisevic und Dodi Lukebakio waren mit je sieben Toren erfolgreicher als der teuerste Stürmer. Auch 2020/21 blieb er mit sieben Treffern unter seinen Möglichkeiten und fremdelte weiter. Nach nur neun Einsätzen (1 Tor) verlieh ihn Hertha im Januar 2022 zum AC Florenz und im September vorigen Jahres erneut – dieses Mal zu US Salernitana. Die Süditaliener besaßen ein Kaufoption in Höhe von 10 Millionen Euro, die sie verstreichen ließen.

So steht Piatek noch immer auf der Gehaltsliste von Hertha BSC und Sportdirektor Benjamin Weber sucht verzweifelt nach einem Abnehmer. Jüngsten Gerüchten zufolge sollen Sporting Lissabon, auch Salernitana aber vor allem der FC Girona aus der Primera Division Interesse zeigen. Die Katalanen sollen dem Vernehmen nach bereit sein, bis zu sechs Millionen Euro Ablöse zu zahlen.

Piatek aber wird als teures Missverständnis in die Liga-Geschichte der Hertha eingehen. Mit zwölf Toren in 58 Bundesligaspielen liegt der Pole lediglich auf Rang 35 der internen Torjägerliste der Berliner. Viel Grund zum Jubeln hatte der „Pistolero“ bei Hertha nicht.

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