„Kindergarten! Verpiss dich!“ Pal Dardai greift bei Hertha BSC durch
Ersatzspieler Ivan Sunjic traf als Ersten der Zorn des Ungarns, der bei seiner Rettungsmission keine Disziplinlosigkeiten mehr durchgehen lassen will.

Die Situation ist prekär, die Nerven liegen blank, der Ton wird rauer im Westend der Stadt. Nach dem nahezu eine Sunde lang einem Offenbarungseid gleichenden 2:4 (0:2) gegen Werder Bremen schwindet bei Hertha BSC allmählich der Glaube, dass die Rettungsmission von Trainer Pal Dardai am Ende Früchte tragen kann. Der Ungar hingegen will jetzt durchgreifen, nichts und niemanden schonen.
Am Sonntagmorgen platzte Dardai der Kragen. „Geh weg! Verpiss dich!“, schimpfte der Coach des Schlusslichts beim Auslaufen in Richtung Ersatzspieler Ivan Sunjic (26) und schickte den Kroaten vorzeitig in die Kabine. Die Zeit der Nettigkeiten in Berlin ist endgültig vorbei. Dardai duldet keine Disziplinlosigkeiten mehr. „Es geht nicht um irgendwas. Es geht ums Überleben“, sagte Dardai kurz vor dem großen Knall.
Was genau vorgefallen ist? Schwer zu sagen. Ohrenzeugen waren viel zu weit weg. Ein unglückliches Widerwort? Eine flapsige Bemerkung, die angesichts des Ernsts der Lage unangebracht war? „Disziplinlosigkeit“ hieß es aus Vereinskreisen nur. Vielleicht für Dardai auch eine passende Gelegenheit, ein Exempel zu statuieren.
Herthas Coach schimpft wie ein Rohrspatz
Der 47-Jährige nahm auch danach kein Blatt vor den Mund, wetterte nach allen Regeln der Kunst. Wem das Herz voll ist – und Hertha liegt Dardai am Herzen –, dem geht der Mund über. „Wir labern alle zu viel. Es bringt ja nix. Wir haben viel gelabert und am Ende kriegst du wieder vier Tore zu Hause. Es ist einfach zu wenig“, schimpfte Herthas Bundesliga-Rekordspieler (297 Liga-Einsätze) wie ein Rohrspatz.
Kein Kampf, kein Wille, keine Qualität: Der lange blutleere Auftritt seiner Herthaner hatte dem Nachfolger von Sandro Schwarz (44) die Schwierigkeit seiner dritten Rettungsmission noch mal in aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Die Mängelliste ist lang. „Es gibt viele Dinge, die man diskutieren muss“, sagte Dardai und kritisierte unter anderem das Abwehrverhalten („Kindergarten!“) und die fehlende taktische Disziplin: „Wir fangen mit den Basics an.“
Ein weiteres Problemfeld ist der offenbar fehlende Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft. „Teamgeist sehe ich nicht“, sagte Dardai. Die Sanktion gegen Sunjic darf vor diesem Hintergrund auch als Zeichen an die Spieler gewertet werden: Für Egoismen oder Hätscheleien ist im Abstiegskampf kein Platz. „Es reicht nicht, nur Freunde zu sein außerhalb und eine gute Atmosphäre zu haben. Auf dem Platz, da sind die wichtigen Sachen“, so Dardai deutlich.
Dardai und Hertha BSC rennt die Zeit davon
Die Mannschaft habe eine „Blockade“, betonte Dardai. Schwer, die zu lösen, denn er sei „kein Zauberer“, der einfach mal hex-hex alles aus dem Stegreif heraus zum Guten wenden könne. Dafür braucht es Zeit. Aber die rennt Hertha BSC bei nur noch fünf ausstehenden Spielen davon.
Die Abstiegsangst der Blau-Weißen ist nach dem Gala-Auftritt von Werders Dreierpacker Marvin Ducksch (6., 27., 51.) größer denn je. „Es kann nicht sein, dass wir dem Gegner vor der Kulisse diesen Vorsprung geben“, sagte Dardai, der mit seinem Team einem hoffnungslosen 0:4-Rückstand hinterherlief, ehe es sich ab der 65. Minute ein wenig aufbäumte. Gegen abgezockte Bremer mit 25.000 mitgereisten Fans im Rücken war das aber viel zu wenig.
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