Hertha-Kolumne

Hertha gegen Union: Ein Derby, das im Berliner Fußball erst noch seinen Platz finden muss

Erst zum achten Mal stehen sich die beiden Klubs am Sonntag in einem Ligaspiel gegenüber. Da haben andere Stadt-Duelle eine größere Vergangenheit.

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Herthas Derby-Held aus dem Hinspiel: Krzysztof Piatek.
Herthas Derby-Held aus dem Hinspiel: Krzysztof Piatek.Imago/Contrast

Die gute Nachricht für Fußball-Berlin kam in diesen Tagen. Der FC Viktoria 1889 schickt sich an, den beiden Top-Klubs Hertha BSC und 1. FC Union sportlich näher zu kommen. Spätestens am 16. April, wenn das Präsidium des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV) tagt, wird Viktoria offiziell als Aufsteiger in die Dritte Liga feststehen. Dann sind die Männer aus Lichterfelde endlich das, was andere Vereine – etwa Tennis Borussia, Tasmania, der Berliner AK oder gar Berlin United – einst anstrebten: die dritte Kraft in der Hauptstadt.

Viktoria wird nun noch intensiver beobachten, wie sich Union und Hertha schlagen, die sich zu Ostern im Derby an der Alten Försterei gegenüberstehen. Ich frage mich: Wird es in einigen Jahren vielleicht zu einem weiteren Derby mit Viktoria kommen? Unmöglich ist nichts, denn von den 20 Klubs der Dritten Liga in der aktuellen Saison haben immerhin zehn schon einmal in der Ersten Bundesliga gespielt.

Viktoria, sogar drei Jahre älter als die Hertha, war dieser schon einmal ganz nah. Als der DFB 1962 die Gründung der Bundesliga beschloss, galt beim Nominierungsschlüssel, dass nur ein Verein pro Stadt zugelassen werde. 46 Klubs bewarben sich bundesweit um einen Platz an der Sonne. Aus Berlin waren das Hertha (Berliner Meister 1957, 1961 und 1963), Tasmania 1900 (Berliner Meister 1959, 1960 und 1962) und Viktoria 89 (Berliner Meister 1955 und 1956). Herthas graue Eminenz und späterer Präsident Wolfgang Holst erzählte mir einst: „Mit Tasmania und Viktoria hatten wir hartnäckige Mitbewerber um den einen Platz in der neuen Liga. Wir mussten unbedingt Berliner Meister werden in der entscheidenden Saison 1962/63.“ Hertha schaffte es – vor allem dank der unglaublichen 41 Treffer, die Hans-Joachim Altendorff  erzielte.

Später entfernten sich Hertha und die Viktoria leistungsmäßig, Letztere verlor an Bedeutung, spielte unterklassig. Wenn Hertha nun an die Alte Försterei zum Derby reist, ist es erst das achte Duell der beiden Klubs in der Ersten und Zweiten Liga – natürlich auch bedingt durch die jahrelange Teilung der Stadt nach dem Bau der Mauer. Für die meisten Fans von Hertha, vor allen die älteren, zählen die Duelle gegen Tennis Borussia sowieso als das „Berliner Ur-Derby“, das bis ins Jahr 1910 zurückgeht. 111-mal gab es Pflichtspiele in dieser Paarung mit 62 Hertha-Siegen, 14 Remis und 35 Erfolgen für TeBe. Viermal davon traf man in der Ersten Liga aufeinander.

In Vergessenheit geraten sind dagegen die vielen Spiele der Hertha gegen Viktoria 89. Mithilfe von Harald Voss, dem Autor des fantastischen Statistik-Wälzers „Das Hertha-Kompendium“ (zusammen mit Harald Tragmann) habe ich feststellen können, dass es zwischen Hertha und Viktoria seit 1896 (!) sogar 129 Pflichtspiel-Begegnungen gab, von denen beinahe die Hälfte jede Mannschaft gewann. Das erste Duell fand am 25. Oktober 1896 statt und Viktoria siegte mit 5:1. Eine gigantische Historie!

Dagegen wirkt das Stadt-Derby der Gegenwart zwischen Union und Hertha wie ein jugendliches Unternehmen, das noch seinen bedeutenden Platz in der turbulenten Berliner Fußball-Geschichte finden muss. Nichtdestotrotz bewegt es die Massen und hat schon einige Derby-Helden hervorgebracht. Bei Hertha etwa den Brasilianer Ronny und zuletzt den polnischen Angreifer Krzysztof Piatek, dem beim Hinspiel-Sieg (3:1) im Olympiastadion zwei schöne Tore gelangen. Bei Union natürlich vor allem den Freistoß-Gott Torsten Mattuschka oder auch Sebastian Polter, der beim letzten Heimspiel der Unioner gegen Hertha in der 90. Minute eiskalt den Elfmeter zum 1:0-Sieg verwandelte.

Am Ostersonntag beim nun achten Derby der Neuzeit, steht vor allem die abstiegsbedrohte Hertha unter enormem Druck, während Union von weit oben in der Tabelle so gelassen wie noch nie auf den Konkurrenten blicken kann.