Hertha-DNA? Die prägenden Gesichter des Klubs werden immer weniger!
Benjamin Weber und Arne Friedrich sind die jüngsten Beispiele. Die Blau-Weißen verlieren wegen der hohen Fluktuation bei Spielern und Trainern immer mehr an Profil.

In meinem Archiv befinden sich zahlreiche alte Mannschaftsfotos von Hertha BSC. Beim Betrachten der Aufgebote konnte man gut die oft hohe Fluktuation bei Spielern und auch bei den Trainern sehen. Nur eine Konstante zog sich durch all die Jahre: Nello di Martino.
Der ehemalige Teamleiter, Co-Trainer, Torwarttrainer und „Mädchen für alles“ war seit Jahrzehnten auf jedem Teamfoto vor Saisonbeginn vertreten – bis 2020/21. Der gebürtige Italiener arbeitete mit sage und schreibe 44 Cheftrainern bei Hertha zusammen, war in der Bundesliga beliebt und bekannt wie ein bunter Hund. Man kann sagen, auch er gab Hertha ein sympathisches Gesicht. Als di Martino im November vorigen Jahres 70 Jahre alt wurde, war Schluss bei den Profis. Nun hilft er als Torwarttrainer bei der U19 und soll sich um ehemalige, verdienstvolle Hertha-Profis in der neuen Initiative „Fahnenträger“ kümmern.
Hertha-Abgänge: Von Preetz über Dardai bis Friedrich
Andere Typen, die der oft blassen Hertha ein Gesicht und Konturen gaben, sind inzwischen dem rasanten personellen Umbruch im gesamten Klub zum Opfer gefallen. Dafür gab es rein sportliche, nachvollziehbare Gründe für eine Trennung bei anhaltendem Misserfolg oder auch private Dinge, die zum Ende einer langen Zusammenarbeit führten.
Manager Michael Preetz war sehr lange das Gesicht der Hertha, zuletzt allerdings in der Dauerkrise meist das traurige, blasse Antlitz des Klubs. Ich denke auch an die Klub-Ikonen Pal Dardai und Andreas „Zecke“ Neuendorf oder an den langjährigen Leiter der Fußball-Akademie Benjamin Weber, der mehr im Hintergrund agierte.

Sehr schade finde ich, dass Sportdirektor Arne Friedrich aus freien Stücken seinen Job am Saisonende aufgeben wird. Der 82-malige Nationalspieler ist einer der wenigen ehemaligen Hertha-Profis, der dem Klub mit seiner weltoffenen und eloquenten Art etwas Glanz verleihen konnte.
Arne Friedrich lebt Hertha BSC
Von Jürgen Klinsmann als sogenannter Performance Manager geholt und dafür zuerst auch belächelt, kniete er sich fortan in seine neuen Aufgaben. Als er zwischen Januar und Mai 2021 in alleiniger Verantwortung stand, passte er bestens zum bodenständigen Cheftrainer Dardai. In dieser schlimmsten Zeit – geprägt durch sportliche Turbulenzen und die Corona-Krise, die Spieler und Trainerteam voll erwischte und in die Quarantäne zwang, sicherte das Duo Friedrich/Dardai den Klassenerhalt. Eine Riesenleistung!
Friedrich hat viele Spuren im Verein hinterlassen. Als er 2002 zu Hertha kam wurde er nach nur zwei Bundesligaspielen von Rudi Völler in die Nationalelf berufen und feierte sofort sein Debüt gegen Bulgarien. Schneller kam kein Herthaner zu Länderspiel-Ehren.
Von 2004 bis 2010 trug er die Kapitänsbinde in Berlin. Als der Verteidiger nach dem Abstieg im Mai 2010 und 231 Erstligaspielen für Hertha zum VfL Wolfsburg wechselte, nahmen ihm das einige Fans übel. Interviews gehörten damals nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Das änderte sich später.
Friedrich vor Hertha-Abschied
Als Friedrich etwa zum Abschluss seiner Karriere bei Chicago Fire in den USA spielte, führte ich ein langes, kurioses Gespräch mit ihm. Arne war gerade mit dem Fahrrad in der Millionenmetropole unterwegs, fuhr locker weiter und beantwortete meine Fragen mit dem Handy am Ohr. Nur ab und an wurden wir kurz unterbrochen, als er zwischen den berühmten Wolkenkratzern, dem Willis Tower und dem John-Hancock-Center, keinen Empfang hatte.
Von seinem Rückzug vom Posten des Sportdirektors nach Saisonende war ich nicht überrascht. Friedrich ist ein freiheitsliebender Mensch, der sich ausprobieren will und stets viele Projekte im Kopf hat. Und es zieht ihn in die USA, wo er in Los Angeles einen Wohnsitz hat.
Vielleicht blieb ihm zuletzt auch zu wenig gestalterischer Spielraum zwischen Sportchef Fredi Bobic und Kaderplaner Dirk Dufner. Fakt ist, mit Arne Friedrich verliert Hertha erneut ein wichtiges Gesicht. Bleibt zu hoffen, dass er nicht wie einst im Mai 2010 als Absteiger den Verein verlässt.
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