Sandro Schwarz, der aktuelle Cheftrainer von Hertha BSC, erinnert unseren Kolumnisten an Schwarz' Vorvorgänger Tayfun Korkut (l.).
Sandro Schwarz, der aktuelle Cheftrainer von Hertha BSC, erinnert unseren Kolumnisten an Schwarz' Vorvorgänger Tayfun Korkut (l.). imago/osnapix, imago/Norbert Schmidt

Immer wenn Hertha tief in einer Krise steckt – eigentlich ist das längst täglich gelebte Normalität geworden – erreichen mich zahlreiche Nachrichten von Freunden und auch von altgedienten Hertha-Anhängern samt ehemaligen Spielern aus erfolgreicheren Zeiten. Sie alle treibt die Sorge vor dem Abstieg um. Der Tenor der aktuellen Bemerkungen: Sie sehen langsam schwarz für Hertha! Das ist durchaus doppeldeutig, denn vieles fokussiert sich derzeit auf Cheftrainer Sandro Schwarz.

Ich selbst bin hin-und hergerissen bei der Frage, ob der 44-Jährige, den Fredi Bobic von Dynamo Moskau nach Berlin holte, noch der richtige Mann am Platze ist. Seine immer wiederkehrenden Erklärungen nach Niederlagen reichen mir nicht aus („wir müssen klar sein und bei uns bleiben“). Sie erinnern mich an die Floskeln des ehemaligen Hertha-Trainers Tayfun Korkut, der stets meinte, „das Momentum war nicht auf unserer Seite!“

Hertha BSC: Nur ein ehemaliger Profi in den Gremien

Hertha-Chefcoach Sandro Schwarz (M.) und sein Trainerteam wollen endlich die ersten Punkte nach dem Re-Start der Bundesliga. 
IMAGO / Nordphoto
Hertha-Chefcoach Sandro Schwarz (M.) und sein Trainerteam wollen endlich die ersten Punkte nach dem Re-Start der Bundesliga. 

Korkut war ein Vertrauter von Fredi Bobic aus Stuttgarter Zeiten, den der ehemalige Sportchef nach drei Jahren ohne Job aus der Versenkung geholt hatte und so lange an ihm festhielt, bis gar nichts mehr ging und er die „Feuerwehr“ in Gestalt von Felix Magath rufen musste. Die Kombination Magath (Autorität mit enormer Erfahrung) und dessen schottischen Assistenten Mark Fotheringham ( emotionaler Vulkan, der bei den Profis ankam) war durchaus erfolgreich.

Nach der Entlassung von Bobic, einst als Spieler Europameister, ist Sandro Schwarz die wichtigste sportliche Instanz im Klub. Der neue Sportdirektor Benjamin Weber ist – bei allem Respekt – im Haifischbecken Bundesliga ein Neuling und auch Andreas „Zecke“ Neuendorf (Typ Fotheringham) betritt als Direktor Akademie/Lizenzspieler berufliches Neuland. In Präsidium und Aufsichtsrat sitzt mit Andreas Schmidt nur ein ehemaliger Profi, der aber mit dem Tagesgeschäft überhaupt nichts zu tun hat.

Hertha BSC: Trainer Schwarz erinnert an Vorvorgänger Korkut

Ich glaube, alle bei Hertha haben sich die engagierten und teils guten, vor allem auch kämpferischen Auftritte vor der WM-Pause zu lange schön geredet nach dem Motto: „Die fehlenden Punkte holen wir uns schon noch.“ Schwarz sollte für „aktiven und vorwärts gewandten Fußball“ stehen, so einst Bobic.

Der Trainer versuchte diesen Anspruch auch zu erfüllen – allerdings hatte er dafür nur einen qualitativ limitierten Kader zu Verfügung. Dennoch gelang der Schulterschluss mit den Fans und der Optimismus überwog. Doch irgendjemand scheint im Januar den „Stecker“ gezogen zu haben. Sämtliche Tugenden aus der Vor-WM-Phase sind wie weggeblasen. Die Profis traben ihren Gegenspielern schwerfällig hinterher, sie sind gedanklich langsamer als Kicker aus Bochum, Wolfsburg oder Frankfurt, ihre Konzentration ist mies. Warum nur?

Hertha BSC: Ein Trainerwechsel greift nicht immer

Im Jahr 2023 hat Hertha BSC alle vier Spiele verloren mit einer schrecklichen Bilanz von 1:13 Toren, unter Schwarz gab es in 19 Ligaspielen lediglich drei Siege zu bejubeln. Vier Duelle in Serie beim Start ins neue Jahr verlor ein Hertha-Team auch im Januar 2012 unter Trainer Michael Skibbe. Nach einem desaströsen 0:5 beim VfB Stuttgart war Schluss für den Coach. Auch seine Nachfolger René Tretschok und Otto Rehhagel konnten den Abstieg nicht vermeiden. Nicht immer bringen Trainerwechsel den gewünschten Effekt.

Präsident Kay Bernstein hat jetzt einen „Strategiewechsel“ verkündet, holt Männer mit „Hertha-DNA“ (wie definiert man diese genau?) in die Verantwortung und will in Zukunft intensiver auf die eigene Jugend-Akademie bauen.

Hertha BSC Klassenerhalt wichtiger als Bernsteins „Berliner Weg“

Sandro Schwarz genießt bei ihm hohe Anerkennung wegen seines Fleißes und seinem respektvollen Umgang mit dem Team. Man will endlich Kontinuität auf der Trainer-Position, was verständlich ist. Den ausgerufenen „Berliner Weg“ möchte man am liebsten länger mit Schwarz gehen.

Dennoch finde ich, dass der Klassenerhalt – bei allen Visionen – die absolute Priorität besitzen muss. Und da sollten unpopuläre Maßnahmen wie ein Trainerwechsel nicht ausgeschlossen sein. Wenn sich die Mannschaft nicht schnellstens berappelt und Siege einfährt, sehe auch ich endgültig schwarz.

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