Der blau-weiße Albtraum: Vor zehn Jahren stiegen die Berliner nach dem Skandal-Spiel in Düsseldorf in die Zweite Liga ab.
Der blau-weiße Albtraum: Vor zehn Jahren stiegen die Berliner nach dem Skandal-Spiel in Düsseldorf in die Zweite Liga ab. Foto: Imago

Wenn man denkt, es geht nicht schlimmer, kommt der nächste Nackenschlag hinzu. 1:6 gegen RB Leipzig im heimischen Olympiastadion! Was sich zuletzt bei Hertha an negativen Dingen aufgetürmt hat, die mehr oder weniger Einfluss auf die Leistungen des Teams haben, ist kaum noch zu überbieten.

Da ist zuerst eine Mannschaft, die nicht mehr gewinnen kann, die nur in der Lage ist, 45 oder 60 Minuten guten Fußball zu zeigen. Hinzu kommen Corona-Fälle ohne Ende bei Profis und im Trainerteam, frustrierte Fans, die den Trainingsbetrieb störten und die heftige öffentliche Schelte des 374-Millionen-Euro-Investors Lars Windhorst an der Vereinsführung („Machterhalt und Klüngelei“).

Hertha-Erinnerungen an Düsseldorf

Öffentlich gemacht wurde der am Saisonschluss bevorstehende Weggang von Sportdirektor Arne Friedrich, einer Persönlichkeit, die dem Verein gut zu Gesicht stand, dazu Meldungen, nachdem auch Michael Hartmann, seit Jahren äußerst erfolgreicher Trainer in der Fußball-Akademie und Meistermacher der U19, Hertha aller Voraussicht nach verlassen wird. Und mit Tayfun Korkut soll  ein Cheftrainer den Klassenerhalt sichern, der zu 99 Prozent in der neuen Saison nicht mehr im Amt sein wird …

Die Mannschaft trennt nur noch ein Pünktchen vom Platz 16, der im Mai die Relegation gegen den Dritten der Zweiten Bundesliga bedeutet. Die Duelle des dann tief gestürzten Drittletzten der Ersten Liga – egal wie er heißen wird - gegen einen aufstrebenden Zweitligisten sind für den 19. Mai (Heimspiel für den Bundesligisten) und den 23. Mai terminiert.

Herthas Abrutschen auf Rang 16 am Saisonende käme aus meiner Sicht einem Albtraum gleich. Beinahe auf den Tag genau im Mai vor zehn Jahren stieg das Team nach dem Desaster in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf (1:2; 2:2) ab. Das Rückspiel in Düsseldorf artete nach dem vorzeitigen Platzsturm tausender Fortuna-Fans zum Skandal aus.

Als geschockter Augenzeuge und Reporter vor Ort war ich der Meinung aller echten Fußball-Anhänger: Das Spiel hätte unbedingt abgebrochen und wiederholt werden müssen.

Relegation verfolgt Hertha-Profis

Noch heute kommen bei einigen Protagonisten von damals ungute Erinnerungen hoch. Peter Niemeyer, einst Kapitän der Hertha, war wichtiger Bestandteil der  Mannschaft, die Trainer Otto Rehhagel in die Alles-oder-nichts-Spiele führte. Niemeyer sagte mir später in Gesprächen: „Der Abstieg in der Relegation war der dunkelste Moment meiner Karriere. Auch das lange Nachspiel vor dem DFB-Gericht war eine schlimme Erfahrung.“

Einem anderen Hertha-Profi kostete das Skandalspiel beinahe seine Karriere. Lewan Kobiaschwili soll nach dem Spiel im allgemeinen Tohuwabohu Schiedsrichter Wolfgang Stark angegriffen haben. Der DFB bestrafte den 100-maligen Nationalspieler von Georgien, was Landesrekord bedeutet, mit einer Spielsperre von siebeneinhalb Monaten.

Es ist die längste Sperre, die jemals in der Bundesliga ausgesprochen wurde. Kobi, so sein Spitzname, sagte mir später: „Ich hatte die Wahl, sofort meine Karriere zu beenden oder mit hartem Training das Niveau zu halten, ohne spielen zu können.“ Er kämpfte sich vorbildlich wieder an die Mannschaft heran und kam noch zu 26 Einsätzen bei Hertha BSC, ehe er im Mai 2014 seine erfolgreiche Karriere beendete.

Hertha versagt in K.o.-Spielen

Gott sei Dank haben die beiden bodenständigen Profis später ihre dramatischen Relegations-Erlebnisse überwunden und blieben dem Fußball treu. Peter Niemeyer arbeitet aktuell als Sportdirektor beim traditionsreichen Regionalligisten Preußen Münster und Lewan Kobiaschwili ist seit 2015 der hoch geschätzte Präsident des Georgischen Fußball-Verbandes.

Eine Tatsache macht mir Sorgen, sollte Hertha tatsächlich in die Entscheidungsspiele müssen. Es zieht sich durch die gesamte schillernde Vereinsgeschichte, dass viele Hertha-Mannschaften unterschiedlicher Epochen in K.o.-Spielen meist den Kürzeren zogen – in Pokalfinals, in Duellen, als es um den Einzug in die Champions League ging, in Cup-Spielen gegen unterklassige Gegner …

Ob das gar zur DNA des Vereins gehört? Also: die Relegation muss unbedingt verhindert werden. Ab sofort.

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